Aufklärungspflicht der Bank über die Bonität des Hauptschuldners

Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Raphael Toman, Christian Lenz

  1. In der Entscheidung 9 Ob 37/24t vom 26.6.2024 setzte sich der Oberste Gerichtshof (“OGH“) mit den Schutzbestimmungen für Interzedenten gemäß §§ 25c und 25d Konsumentenschutzgesetz (“KSchG“) auseinander. Interzedenten sind Personen, die entweder als Mitschuldner, Bürge oder Garant für die Verbindlichkeit eines anderen – dem Hauptschuldner – eintreten.

 

  1. 25c KSchG legt fest, dass Banken (oder andere Kreditgeber) den Interzedenten auf die wirtschaftliche Lage des Hauptschuldners hinweisen müssen, falls erkennbar ist, dass der Hauptschuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nur teilweise erfüllen wird. Der Verbraucher soll damit in die Lage versetzt werden, die Tragweite seiner Verpflichtung zu verstehen. Falls eine solche Verpflichtung für den Verbraucher eine unzumutbare finanzielle Belastung zur Folge hat, kann das Gericht gemäß § 25d KSchG die Verbindlichkeit nachträglich reduzieren oder sogar zur Gänze aufheben, sofern der Kreditgeber seiner Warn- bzw Aufklärungspflicht nicht nachgekommen ist.

 

  1. Im Ausgangsfall des OGH bestellte ein Verbraucher seine Liegenschaft als Pfand für einen von der beklagten Bank gewährten Kredit an eine GmbH. Für die Bank war im Zeitpunkt der Pfandbestellung nicht erkennbar, ob die GmbH zahlungsunfähig war. Die Bank ging daher davon aus, dass die wirtschaftliche Lage der Schuldnerin gut ist. Entsprechend erteilte die Bank dem Verbraucher keine Informationen über die Bonität, zumal der Verbraucher angab, die wirtschaftliche Lage der GmbH zu kennen. Die Bank klärte den Drittschuldner lediglich darüber auf, dass nur seine Liegenschaft als Sicherheit für den Kredit der GmbH bestellt wurde und es daher sein könne, dass das Pfand im Sicherungsfall herangezogen und die Liegenschaft verwertet wird.

 

  1. Der Verbraucher begehrte in der Folge die Aufhebung des Pfandbestellungsvertrags und Löschung des eingetragenen Pfandrechts. Er argumentierte damit, dass § 25c KSchG nicht nur auf Mitschuldner, Bürgen und Garanten (Interzedenten), sondern auch auf bloße Pfandbesteller anzuwenden sei. Demnach treffe die Bank auch bei der bloßen Pfandbestellung eine Warn- und Aufklärungspflicht über die Bonität der Hauptschuldnerin.

 

  1. In seiner Entscheidung verneinte der OGH jedoch die Anwendbarkeit der §§ 25c und 25d KSchG auf die bloße Pfandbestellung und bestätigte damit seine bisherige Rechtsprechung. Bei der Drittpfandbestellung besteht demnach für die Bank keine allgemeine Warn- und Aufklärungspflicht gegenüber dem Verbraucher. Eine solche Pflicht trifft die Bank ausnahmsweise nur dann, wenn sie Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners hat oder eine besonders gefährliche Situation für den Verbraucher erkennen hätte müssen. Auch in diesen Fällen besteht eine Warn- und Aufklärungspflicht für die Bank jedoch nur dann, wenn sie damit rechnen muss, dass dem Sicherungsgeber dieser Umstand nicht gleichfalls bekannt ist. Eine bloße Voraussehbarkeit der Zahlungsunfähigkeit oder des unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruchs löst die Aufklärungspflicht des Kreditgebers (noch) nicht aus.

12.2.2025

Das Team
Raphael Toman
Partner / Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Compliance & Interne Untersuchungen, Kapitalmarktrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht & Regulatory, IP & Datenschutz, Legal Tech
Raphael betreut vorwiegend Finanzdienstleister in Verfahren vor Zivil- wie Verwaltungsgerichten sowie bei regulatorischen Fragestellungen, Geldwäscheprävention, Sanktionen sowie Kryptowerte. Daneben vertritt er Mandant:innen aus verschiedenen Branchen in (grenzüberschreitenden) streitigen Verfahren. Weiters unterstützt er Unternehmen in datenschutzrechtlichen Belangen, und ist selbst Datenschutzbeauftragter bei einem Biotechunternehmen sowie einem internationalen Sportverband.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2011; Dr. iur. 2019)
New York University, Leistungsstipendium der Universität Wien (LL.M. 2017)
Zulassung als Rechtsanwalt auch in New York (2017)
Stagiaire bei der International Chamber of Commerce (2018)


Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine Mandant:innen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)