Haftung für Geschäftspartner bei Tippgebervereinbarungen

Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Raphael Toman, Christian Lenz

  1. Der Oberste Gerichtshof (“OGH”) setzte sich in der Entscheidung 5 Ob 84/23y mit der Gehilfenhaftung von Tippgebern auseinander und beleuchtete damit eine in der Praxis häufig anzutreffende Konstellation. Nach dem gesetzlichen Leitbild beschränkt sich die Tätigkeit eines Tippgebers auf die Aufnahme und die Weiterleitung von Kontaktdaten an die kooperierenden Wertpapierunternehmen und Versicherungen. Der OGH musste in seiner Entscheidung beurteilen, ob diese Einschränkung des Tätigkeitsbereichs eines Tippgebers auch zu einem Ausschluss der Erfüllungsgehilfenhaftung des Geschäftsherren nach § 1313a ABGB führt.

 

  1. Im Ausgangsfall schlossen die Kläger einen Vermögensverwaltungsvertrag über EUR 100.000,– mit einer in Liechtenstein ansässigen Aktiengesellschaft (“I-AG”) ab, wobei die I-AG mit der Beklagten, eine gewerbliche Vermögensberaterin, kooperierte. Die Beklagte wiederum übte ihre Geschäftstätigkeit ua durch Geschäftspartnervereinbarungen mit anderen selbständigen Vermögensberatern aus.

 

  1. Im Rahmen ihrer Kooperation vereinbarten die I-AG und die Beklagte, dass die Beklagte und die für sie tätigen Geschäftspartner nur als Tippgeber fungieren und der I-AG potenzielle Kunden zuführen sollten. Die Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und ihren Geschäftspartnern im Rahmen des Tippgebergeschäfts wurde durch Organisationsrichtlinien geregelt. Diese sahen vor, dass die Tätigkeit der Geschäftspartner auf das Erteilen von Informationen über Produkte sowie die Kontaktherstellung beschränkt war. Beratungstätigkeiten wurden darin explizit ausgeschlossen, da diese die I-AG selbst vorzunehmen hatte. Außerhalb des Tippgebergeschäfts erbrachten die Geschäftspartner (entsprechend den vereinbarten Organisationsrichtlinien) jedoch auch Beratungsdienstleistungen an die Kunden der Beklagten.

 

  1. In der Praxis kam der Vermögensverwaltungsvertrag zwischen der I-AG und den Kunden jedoch oft (entgegen den Organisationsrichtlinien für das Tippgebergeschäft) derart zustande, dass einzelne Geschäftspartner der Beklagten die Kunden bereits beraten hatten. Diese Kunden kamen dann bereits “unterschriftsreif” zum eigentlichen Beratungstermin mit der I-AG. So war es auch im Ausgangsfall der Entscheidung des OGH. Eine Geschäftspartnerin der Beklagten empfahl den Klägern das Produkt der I-AG, welches diese in weiterer Folge auch zeichneten.

 

  1. Im Laufe der Zeit realisierten die Kläger im Rahmen des Vermögensverwaltungsvertrags hohe Verluste, aufgrund derer sie Ansprüche wegen einer (angeblichen) Fehlberatung (insb fehlende Risikoaufklärung) bei der Beklagten geltend machten. Die Kläger argumentierten, dass der Vermögensverwaltungsvertag zwischen ihnen und der I-AG durch die Beratung und die Vermittlung der Beklagte bzw der ihr als Erfüllungsgehilfin zurechenbaren Geschäftspartnerin zustande gekommen sei. Die Beklagte habe daher für das Verhalten ihrer Geschäftspartnerin gem § 1313a ABGB einzustehen.

 

  1. Während das Berufungsgericht noch der Ansicht war, dass kein Beratungsvertrag zwischen den Klägern und der Beklagten zustande gekommen sei, kam der OGH zu einem anderen Ergebnis: Für die Beurteilung der Gehilfenhaftung nach § 1313a ABGB ist maßgebend, ob der Gehilfe bei der Verfolgung der Interessen des Schuldners tätig, und damit in seinen Risikobereich einbezogen war. Der Geschäftsherr haftet daher nicht, wenn das Verhalten des Gehilfen aus dem Aufgabenkreis herausfällt, den der Gehilfe wahrzunehmen hatte.

 

  1. Auch wenn die Beratung in den Organisationsrichtlinien für das Tippgebergeschäft ausgeschlossen war, war die Beratung nach Ansicht des OGH dennoch vom allgemeinen Aufgabenkreis erfasst, den die Geschäftspartner für die Beklagte wahrzunehmen hatten. Anders wäre der Fall nur dann zu beurteilen, wenn sich die Tätigkeit der Geschäftspartner für die Beklagte ausschließlich auf das Tippgebergeschäft beschränkt hätte. Da die Geschäftspartner jedoch außerhalb des Tippgebergeschäfts auch Beratungstätigkeiten gegenüber den Kunden der Beklagten erbrachten, fiel auch die Beratung in Bezug auf die I-AG (entgegen dem internen Gebot) nicht aus deren allgemeinen Aufgabenkreis. Im Ergebnis bejahte der OGH daher die Erfüllungsgehilfenhaftung der Beklagten. Ob die Beklagte auch tatsächlich haftet, hängt jedoch von der im weiteren Verfahren noch zu klärenden Frage ab, ob die Fehlberatung auch kausal für den entstandenen Schaden war.
Das Team
Raphael Toman
Partner / Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Compliance & Interne Untersuchungen, Kapitalmarktrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht & Regulatory, IP & Datenschutz, Legal Tech
Raphael betreut vorwiegend Finanzdienstleister in Verfahren vor Zivil- wie Verwaltungsgerichten sowie bei regulatorischen Fragestellungen, Geldwäscheprävention, Sanktionen sowie Kryptowerte. Daneben vertritt er Mandant:innen aus verschiedenen Branchen in (grenzüberschreitenden) streitigen Verfahren. Weiters unterstützt er Unternehmen in datenschutzrechtlichen Belangen, und ist selbst Datenschutzbeauftragter bei einem Biotechunternehmen sowie einem internationalen Sportverband.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2011; Dr. iur. 2019)
New York University, Leistungsstipendium der Universität Wien (LL.M. 2017)
Zulassung als Rechtsanwalt auch in New York (2017)
Stagiaire bei der International Chamber of Commerce (2018)


Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine Mandant:innen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)