1. Gerade in größeren Konzernen oder grenzüberschreitend tätigen Finanzinstituten stellt sich häufig die Frage, welche Informationen man innerhalb der Gruppe teilen darf, welche muss – und wann man den Kollegen aus dem Verbund nicht trauen darf, und letztlich alle Informationen doch erst wieder selbst kontrollieren muss. Der Gerichtshof der Europäischen Union (“EuGH”) müsste darüber in einem aus Lettland vorgelegten Vorabentscheidungsverfahren entscheiden. Bei der Gelegenheit hat es sich außerdem noch mit politisch exponierten Personen (“PEP“) befasst und klargestellt, wie weit der Begriff der “bekanntermaßen nahestehende” Person eigentlich zu interpretieren ist.
2. Gerade der erste Aspekt der Entscheidung ist für die Praxis wichtig: Der EuGH bestätigt dort zunächst, dass Verpflichtete nach der 4. GW-RL, die derselben Gruppe angehören, Informationen zu Verdachtsfällen austauschen (können) müssen. Sobald ein Konzernunternehmen damit zum Ergebnis kommt, dass das Verhalten eines Kunden verdächtig ist, muss dieser Verdacht innerhalb der Unternehmensgruppe entsprechend geteilt und weitergeleitet werden. Die Empfänger der Information dürfen sich aber darauf nicht verlassen: Im selben Atemzug sprach der EuGH auch aus, dass dieser Austausch die einzelnen Verpflichteten nicht vom Erfüllen ihrer eigenen Sorgfaltspflichten befreit.
3. Insbesondere sprach der EuGH aus, dass von einem anderen Unternehmen derselben Gruppe getroffene Entscheidungen nicht automatisch umgesetzt werden dürfen. Vielmehr müssen sie eine eigene Bewertung der Risiken und der in Bezug auf die Sorgfaltspflichten zu ergreifenden Maßnahmen vornehmen. Dadurch kann beispielsweise eine von einem Unternehmen vorgenommene Risiko-Einstufung eines Kunden nicht von einer anderen Gesellschaft übernommen werden, sondern es bedarf einer erneuten Einstufung. Damit legt der EuGH Unternehmen derselben Gruppe einen erheblichen Aufwand auf. Statt eine einmal getroffene Risiko- und Compliance-Entscheidung zentral für alle Unternehmen der Gruppe anwenden zu dürfen, muss jedes einzelne Unternehmen selbst die Risiken bewerten und die passenden Sorgfaltspflichten umsetzen. Das kann eine Mehrfachprüfung derselben Sachverhalte, höher Kosten für Personal, Dokumentation und rechtliche Beratung sowie Verlust von Synergieeffekten bedeuten.
4. Zudem hat der EuGH klargestellt, dass es bei der Beurteilung, ob eine Person einer PEP “bekanntermaßen nahesteht” immer einer Einzelfallbeurteilung bedarf. Das war im Anlassfall auch dann erforderlich, wenn zwei Personen, wovon eine PEP ist, gemeinsam dem Exekutivorgan derselben Vereinigung angehören: Zwar kann es sich dabei um ein Indiz handeln, muss aber nicht automatisch bedeuten, dass die andere Person der PEP “bekanntermaßen nahesteht”.
5. Fazit ist, dass Verpflichtete aufgrund dieser Entscheidung des EuGH künftig mit einem Mehraufwand hinsichtlich der Sorgfaltspflichten bzw der Überprüfung, ob es sich bei Kundschaft um PEP handelt, rechnen werden müssen.