Informationspflichten der Bank bei Oder-Konten

Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Raphael Toman, Christian Lenz

  1. Ob bei Ehepaaren, Wohngemeinschaften oder Vereinen: Gemeinschaftskonten sind in der Praxis weit verbreitet. In der Entscheidung 3 Ob 123/24w musste der Oberste Gerichtshof (“OGH“) die Frage klären, wie weit die Informationspflichten einer Bank gegenüber den Mitinhabern eines Gemeinschaftskontos reichen.

 

  1. Im Ausgangsfall führten der Kläger und seine Ehefrau ein gemeinsames Girokonto. Es handelte sich dabei um ein sogenanntes “Oder-Konto”, das beiden Kontoinhabern unabhängig voneinander das Recht einräumte, im eigenen Namen über das gesamte Kontoguthaben zu verfügen.

 

  1. Der Kläger hatte die beklagte Bank wiederholt mit der Ausführung von Überweisungen auf Konten unterschiedlicher Kryptobörsen beauftragt, wobei das interne Warnsystem der Bank im Zusammenhang mit einer dieser Zahlungen einen Betrugsverdacht identifizierte. Die Bank machte daraufhin den Kläger (zweimal) auf diesen Verdacht aufmerksam. Dennoch bestand der Kläger auf das Durchführen der Transaktion, die sich letztlich jedoch als Überweisung an Betrüger herausstellte.

 

  1. Der Kläger warf der Bank vor, ihre Aufklärungspflicht verletzt zu haben, zumal sie auch seine Ehefrau als Mitinhaberin des Gemeinschaftskontos auf den Betrugsverdacht hätte hinweisen müssen. Darüber hinaus wäre die Bank in Anbetracht der großen Anzahl an Transaktionen an Kryptobörse-Konten, die der Kläger innerhalb eines kurzen Zeitraums veranlasst hatte, verpflichtet gewesen, diesen mehrmals zu warnen.

 

  1. Entgegen der Ansicht des Klägers kam der OGH jedoch zum Ergebnis, dass die einschlägige Informationspflicht der Bank ausschließlich gegenüber dem auftraggebenden Mitinhaber des Gemeinschaftskontos besteht. Generell besteht bei Oder-Konten, bei denen alle Mitinhaber einzelzeichnungsberechtigt sind, keine Auskunftspflicht des Kreditinstituts hinsichtlich der Ausführung von Aufträgen eines anderen Kontomitinhabers. Anderes könnte nur etwa dann gelten, wenn Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des auftraggebenden Kontomitinhabers bestehen.

 

  1. Zudem hob der OGH hervor, dass die Bank im vorliegenden Fall zur Ausführung des Überweisungsauftrags trotz Hinweis auf den Betrugsverdacht verpflichtet war. Der Girovertrag ist als Geschäftsbesorgungsvertrag zu qualifizieren, der die Bank dazu verpflichtet, Verfügungen des Kunden bis zur Beendigung der Geschäftsbeziehung auszuführen. Die Bank wäre daher nicht dazu befugt gewesen, die Ehefrau des Klägers gesondert auf den bestehenden Betrugsverdacht hinzuweisen, um die beauftragte Überweisung zu verhindern.

 

  1. Schließlich konnte der Kläger nicht mit dem Argument durchdringen, dass die Bank ihn häufiger hätte über den Betrugsverdacht informieren müssen. Da sich nach den erfolgten Warnungen der Bank am Grundsachverhalt nichts geändert hatte und die Überweisungen an “seriöse” Kryptobörsen erfolgten, sah das Berufungsgericht, dessen Meinung sich der OGH anschloss, keine Grundlage für die Pflicht einer weiteren Warnung seitens der Bank.

12.2.2025

 

Das Team
Raphael Toman
Partner / Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Compliance & Interne Untersuchungen, Kapitalmarktrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht & Regulatory, IP & Datenschutz, Legal Tech
Raphael betreut vorwiegend Finanzdienstleister in Verfahren vor Zivil- wie Verwaltungsgerichten sowie bei regulatorischen Fragestellungen, Geldwäscheprävention, Sanktionen sowie Kryptowerte. Daneben vertritt er Mandant:innen aus verschiedenen Branchen in (grenzüberschreitenden) streitigen Verfahren. Weiters unterstützt er Unternehmen in datenschutzrechtlichen Belangen, und ist selbst Datenschutzbeauftragter bei einem Biotechunternehmen sowie einem internationalen Sportverband.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2011; Dr. iur. 2019)
New York University, Leistungsstipendium der Universität Wien (LL.M. 2017)
Zulassung als Rechtsanwalt auch in New York (2017)
Stagiaire bei der International Chamber of Commerce (2018)


Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine Mandant:innen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)