Übertragung von Bitcoins zwischen E-Wallets – ein Fall für das ZaDiG?

Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Raphael Toman, Christian Lenz

  1. Der Oberste Gerichtshof (“OGH”) setzte sich in der Entscheidung 4 Ob 234/23z mit einem Betrugsfall auseinander und ging dabei auch der Frage nach, ob Bitcoins in den Anwendungsbereich des ZaDiG 2018 fallen. Im Ausgangsfall hatte die Klägerin in Bitcoins auf einer englischen Trading-Plattform investiert. Nachdem dieses Unternehmen im Jahr 2021 aufgelöst wurde, trat eine Person mit der Klägerin in Kontakt. Diese Person gab an, für ein Unternehmen zu arbeiten, welches die Abwicklung der Investitionen bei der Trading-Plattform übernommen habe. Sie riet der Klägerin dazu, ihre Bitcoins bei einer österreichischen Trading-Plattform, der Beklagten, zu verwalten und künftige Transaktionen über diese durchzuführen. Die Klägerin erstellte daraufhin einen Account auf der besagten Webseite. Eine Zwei-Faktor-Authentifizierung zur Sicherung ihrer Wallet richtete die Klägerin nicht ein.

 

  1. Nach dem Registrierungsvorgang auf der Plattform der Beklagten wurde die Klägerin dazu veranlasst, die Software “AnyDesk” (eine Fernzugriff-Software) auf ihrem Computer zu installieren, damit der Klägerin gezeigt werden könne, wie sie die Plattform der Beklagten nutzen könne. Im Zuge dessen erlangte eine unidentifizierte Person Zugriff auf ihren Computer und transferierte die Bitcoins auf eine fremde Wallet. Die Klägerin brachte vor, dass im Ausgangsfall das österreichische Zahlungsdienstegesetz (“ZaDiG 2018”) anzuwenden wäre und begehrte Schadenersatz iHv EUR 47.400,– von der Trading-Plattform, welche die E-Wallet verwaltete. Die Klägerin argumentierte, dass die Plattformbetreiberin keine ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen gemäß dem ZaDiG 2018 setzte, wie etwa die Zwei-Faktor-Authentifizierung.

 

  1. Die beklagte Trading Plattform bestritt die Vorwürfe und argumentierte, dass sie keine Zahlungsdienste iSd ZaDiG 2018 erbringe und daher auch nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes falle. Die Trading-Plattform habe die Klägerin auf die Möglichkeit der Zwei-Faktor-Authentifizierung hingewiesen, jedoch liege die Verantwortung für die Sicherheit ihres Accounts bei der Klägerin selbst. Die Trading-Plattform sah den Vorfall als außerhalb ihres Kontrollbereichs, da die Klägerin fahrlässig gehandelt habe, indem sie Dritten Zugriff auf ihren Computer gewährt habe.

 

  1. Der OGH hatte daher zu klären, ob der Transfer von Bitcoins zwischen den Wallets in den Anwendungsbereich des ZaDiG 2018 fällt. Insbesondere untersuchte er, ob dieser Transfer einen “Zahlungsvorgang” iSd Gesetzes darstellt. Bei einem Zahlungsvorgang handelt es sich im Wesentlichen um die Bereitstellung, den Transfer oder die Abhebung eines Geldbetrags. Kernfrage war daher, ob es sich bei Bitcoins um “Geldbeträge” handelt.

 

  1. Der OGH kam dabei zum Ergebnis, dass es sich bei Bitcoin weder um ein gesetzlich anerkanntes Zahlungsmittel noch um Giralgeld handelt. Bitcoins werden weder von einer Zentralbank oder einer öffentlichen Behörde ausgegeben, noch existiert im Netzwerk ein allgemein gültiger Emittent. Darüber hinaus erfüllen Bitcoins nicht die Definition von E-Geld im Sinne des österreichischen E-Geld-Gesetzes, da sie gerade keinen in Form einer Forderung gegenüber einem E-Geld-Emittenten gespeicherten monetären Wert repräsentieren.

 

  1. Im Ergebnis verneinte der OGH daher das Vorliegen eines Zahlungsvorgangs und damit den Anwendungsbereich des ZaDiG 2018.
Das Team
Raphael Toman
Partner / Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Compliance & Interne Untersuchungen, Kapitalmarktrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht & Regulatory, IP & Datenschutz, Legal Tech
Raphael betreut vorwiegend Finanzdienstleister in Verfahren vor Zivil- wie Verwaltungsgerichten sowie bei regulatorischen Fragestellungen, Geldwäscheprävention, Sanktionen sowie Kryptowerte. Daneben vertritt er Mandant:innen aus verschiedenen Branchen in (grenzüberschreitenden) streitigen Verfahren. Weiters unterstützt er Unternehmen in datenschutzrechtlichen Belangen, und ist selbst Datenschutzbeauftragter bei einem Biotechunternehmen sowie einem internationalen Sportverband.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2011; Dr. iur. 2019)
New York University, Leistungsstipendium der Universität Wien (LL.M. 2017)
Zulassung als Rechtsanwalt auch in New York (2017)
Stagiaire bei der International Chamber of Commerce (2018)


Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine Mandant:innen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)