Umsetzung der Verbandsklagen-Richtlinie in Österreich

Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Raphael Toman, Christian Lenz

Mit der neuen Verbandsklagen-Richtlinie der EU soll ein unionsweites Sammelklagensystem zur kollektiven Rechtsdurchsetzung von Verbraucheransprüchen eingeführt werden. Die entsprechenden Richtlinienvorgaben hätte der österreichische Gesetzgeber bereits bis 25.6.2023 in nationales Recht umsetzen müssen. Ein knappes Jahr später liegt nun der erste Gesetzesentwurf vor.

  1. Neben den ohnehin bereits zur Verbandsklage befugten Einrichtungen (etwa den Verein für Konsumenteninformation; “VKI”) sieht der Gesetzesentwurf nun auch die Rechtsdurchsetzung durch sogenannte “Qualifizierte Einrichtungen” vor. Dabei handelt es sich um Einrichtungen, die unbeeinflusst von Interessen Dritter (etwa von Mitbewerber:innen) den Rechtsschutz für Verbraucher:innen wahrnehmen können. Ob die Einrichtungen die gesetzlichen Anforderungen erfüllen, wird vom Bundeskartellanwalt als zuständige Aufsichtsbehörde überprüft, der auch die entsprechende Konzession erteilt. Jedenfalls dürfen Qualifizierte Einrichtungen nicht mehr als 20 % ihrer finanziellen Mittel aus Zuwendungen Dritter (Spenden oder Schenkungen) beziehen, um ihre Unabhängigkeit ausreichend zu wahren. Die nach dem neuen Gesetz weiterhin zulässigen Prozessfinanzierer müssen – anders als bisher – ebenfalls sowohl vom beklagten Unternehmen als auch von dessen Mitbewerb unabhängig sein. Sollte sich im Verfahren herausstellen, dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen, ist die Verbandsklage zurückzuweisen.
  2. Aber nicht nur der persönliche Anwendungsbereich wird ausgedehnt: Zukünftig besteht die Möglichkeit, neben Unterlassungsklagen – die auf die Beendigung eines rechtswidrigen Verhaltens gerichtet sind – auch Leistungsansprüche geltend zu machen (“Abhilfeklagen”). Für die Unternehmen bedeutet das, dass sie zukünftig mit gebündelten Schadenersatzklagen konfrontiert werden können. Voraussetzung ist jedoch, dass zumindest 50 Verbraucher:innen Ansprüche gegen das betroffene Unternehmen geltend machen. Der Beitritt zu einer Abhilfeklage muss von den Verbraucher:innen spätestens drei Monaten nach der Veröffentlichung, dass eine Verbandsklage eingebracht wurde, erfolgen. Der Beitritt führt zur Hemmung sämtlicher Verjährungsfristen zum Stichtag der Einbringung der Verbandsklage und hemmt damit auch rückwirkend die Verjährung bezüglich die individuellen Rechtsansprüche der Verbraucher:innen.
  3. Aber der Gesetzesentwurf lässt auch gewisse Hürden für Verbandsklagen erkennen: Verbraucher:innenansprüche können nur dann gebündelt geltend gemacht werden, wenn diese “gleichartig” sind. Die Ansprüche müssen daher im Wesentlichen aus einem vergleichbaren Sachverhalt resultieren und die gleichen Tat- und Rechtsfragen betreffen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist von den Qualifizierten Einrichtungen zu beweisen, was in der Praxis mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Für die beklagten Unternehmen kann diese Eintrittshürde ein wirksames Mittel zur Abwehr oder zumindest zur erheblichen Verzögerung von Verbandsverfahren sein.
Das Team
Raphael Toman
Partner / Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Compliance & Interne Untersuchungen, Kapitalmarktrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht & Regulatory, IP & Datenschutz, Legal Tech
Raphael betreut vorwiegend Finanzdienstleister in Verfahren vor Zivil- wie Verwaltungsgerichten sowie bei regulatorischen Fragestellungen, Geldwäscheprävention, Sanktionen sowie Kryptowerte. Daneben vertritt er Mandant:innen aus verschiedenen Branchen in (grenzüberschreitenden) streitigen Verfahren. Weiters unterstützt er Unternehmen in datenschutzrechtlichen Belangen, und ist selbst Datenschutzbeauftragter bei einem Biotechunternehmen sowie einem internationalen Sportverband.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2011; Dr. iur. 2019)
New York University, Leistungsstipendium der Universität Wien (LL.M. 2017)
Zulassung als Rechtsanwalt auch in New York (2017)
Stagiaire bei der International Chamber of Commerce (2018)


Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine Mandant:innen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)