Verbraucherkreditverträge: Kreditwürdigkeitsprüfung und Nichtigkeit

Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Raphael Toman, Christian Lenz

a) Der Europäische Gerichtshof (“EuGH”) musste sich in einer aktuellen Entscheidung (C-755/22) mit der Frage auseinandersetzen, ob ein bereits erfüllter Verbraucherkreditvertrag aufgrund einer mangelhaften Kreditwürdigkeitsprüfung angefochten werden kann.

b) Bei der Vergabe von Krediten an Verbraucher:innen haben Kreditgeber:innen vorab eine Bonitätsprüfung der (potenziellen) Kreditnehmer:innen durchzuführen. Diese Verpflichtung beruht auf Richtlinienvorgaben der EU, weshalb die entsprechende Umsetzung in nationales Recht durch die Mitgliedsstaaten selbst erfolgte. Vor diesem Hintergrund sind auch die Sanktionen bei Verstößen gegen die Kreditwürdigkeitsprüfung in der EU nicht einheitlich geregelt. Diese reichen in den einzelnen Mitgliedsstaaten von einfachen Schadenersatzansprüchen bis hin zur Nichtigkeit des gesamten Kreditvertrags.

c) Nach der Rechtslage in Österreich sind an eine mangelhafte Bonitätsprüfung keine speziellen Rechtsfolgen gekoppelt, der Vertrag wird jedoch nach allgemeinen Regeln anfechtbar (zB durch Irrtumsanfechtung). Die Folge einer allfälligen Nichtigerklärung des Vertrages wäre unter anderem, dass die bezahlten Zinsen zurückgefordert werden können.

d) So auch im Ausgangfall der Entscheidung des EuGH: In Tschechien – wo bei einer mangelhaften Bonitätsprüfung die Nichtigkeit des Kreditvertrags vorgesehen ist – nahm ein Verbraucher einen Kredit auf, der von ihm auch vollständig zurückgezahlt wurde. Dennoch begehrte ein Unternehmen, dem der Verbraucher seine Forderungen aus dem Kreditvertrag abgetreten hat, die Aufhebung des Kreditvertrags, weil die Kreditwürdigkeitsprüfung durch die kreditgebende Bank mangelhaft gewesen sei. Fraglich blieb, ob die Sanktionen in Hinblick auf eine unvollständige Prüfung der Kreditwürdigkeit auch dann greifen, wenn der Kredit bereits vollständig zurückgezahlt und der Vertrag während der Rückzahlung nicht beanstandet wurde.

e) Der EuGH stellte in diesem Zusammenhang nun klar, dass auf die jeweiligen nationalen Rechtsbehelfe auch dann zurückgegriffen werden kann, wenn der Kreditvertrag von den Parteien bereits vollständig erfüllt wurde und der Verstoß für den Verbraucher keine nachteiligen Folgen hatte.

 

Das Team
Raphael Toman
Partner / Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Compliance & Interne Untersuchungen, Kapitalmarktrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht & Regulatory, IP & Datenschutz, Legal Tech
Raphael betreut vorwiegend Finanzdienstleister in Verfahren vor Zivil- wie Verwaltungsgerichten sowie bei regulatorischen Fragestellungen, Geldwäscheprävention, Sanktionen sowie Kryptowerte. Daneben vertritt er Mandant:innen aus verschiedenen Branchen in (grenzüberschreitenden) streitigen Verfahren. Weiters unterstützt er Unternehmen in datenschutzrechtlichen Belangen, und ist selbst Datenschutzbeauftragter bei einem Biotechunternehmen sowie einem internationalen Sportverband.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2011; Dr. iur. 2019)
New York University, Leistungsstipendium der Universität Wien (LL.M. 2017)
Zulassung als Rechtsanwalt auch in New York (2017)
Stagiaire bei der International Chamber of Commerce (2018)


Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine Mandant:innen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)

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