Voraussetzungen für das Vorliegen eines Alternativen Investmentfonds

Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Raphael Toman, Christian Lenz

  1. Eine rezente Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (“VwGH”; VwGH 15.2.2024, Ra 2023-02-0178) zur Qualifikation eines Alternativen Investmentfonds (“AIF”) zeigt die Herausforderungen bei der Abgrenzung von Unternehmensfinanzierung und der Verwaltung eines AIF.

 

  1. Im Ausgangsfall trat eine Prozessfinanzierungsgesellschaft (“PFG”) auf, die durch Ausgabe von Genussrechten Kapital von Anlegern einsammelte, um dieses für Prozessfinanzierungen und weitere Aktivitäten (Marketing, Verwaltung und Expansion) einzusetzen. Die Finanzmarktaufsichtsbehörde (“FMA”) sah darin eine unerlaubte Verwaltung eines AIF und forderte die PFG auf, die Vermögensverwaltung des Genussrechtskapitals einzustellen. Im Beschwerdeverfahren hob das Bundesverwaltungsgericht (“BVwG”) den Bescheid der FMA auf. Das BVwG bejahte zwar das Vorliegen einer festen Anlagestrategie, kam jedoch zum Ergebnis, dass das eingesammelte Kapital zur direkten operativen Unternehmensfinanzierung verwendet werde, womit das Vorliegen eines AIF ausscheiden würde.

 

  1. Der VwGH dreht diese Entscheidung nach Amtsrevision der FMA aber wieder um – und sah die Rechtslage sowohl zum Vorliegen einer festgelegten Anlagestrategie als auch zum Ausschlussgrund der operativen Tätigkeit ganz anders:

 

  1. Unter einer festgelegten Anlagestrategie versteht der VwGH die feste Vorgabe eines Handlungsspielraums, nach dem sich der Alternative Investmentfonds-Manager (“AIFM”) bei der Kapitalverwaltung zu orientieren hat. Der VwGH bezieht sich dabei ua auf die Leitlinien der europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (“ESMA”), die auch eine Dokumentation der Anlagestrategie in offiziellen Dokumenten des AIF fordert und den Verwalter dazu verpflichtet, sich an diese Strategie zu halten. Anleger müssen sich auf die festgelegte Strategie verlassen können und deren Einhaltung fordern dürfen. Die Anlagestrategie muss daher so präzise definiert sein, dass sie den in den ESMA-Leitlinien festgelegten Anforderungen entspricht. Der VwGH erblickte im Ausgangsfall eine solche Anlagestrategie als nicht gegeben, weil es nicht ausreicht, dass das Kapital irgendeinem näher definierten Zweck zugeführt werden soll, vor allem dann nicht, wenn dieser Zweck die “allgemeine Unternehmensfinanzierung” ist. Weiters argumentiert der VwGH, dass es nicht das primäre Ziel der Anlage ist, durch das gesammelte Kapital einen Nutzen für die Gesamtheit der Anleger zu generieren. Die für das Vorliegen eines AIF erforderliche Anlagestrategie ist nach Ansicht des VwGH nicht mit der allgemeinen Unternehmensstrategie gleichzusetzen.

 

  1. Darüber hinaus vertrat der VwGH die Ansicht, dass das BVwG bei der Frage, ob der Ausnahmetatbestand der operativen Tätigkeit vorlag, einem Rechtsirrtum unterlegen ist. Dabei betonte das Höchstgericht, dass der Begriff der “operativen Tätigkeit” eng auszulegen ist und für dessen Interpretation – entgegen der Ansicht des BVwG – sehr wohl die ESMA-Leitlinien heranzuziehen sind. Demnach gilt ein Organismus nicht als AIF, wenn er einen allgemein-kommerziellen oder -industriellen Zweck verfolgt. Dazu zählen unter anderem Geschäftsstrategien, die durch Tätigkeiten wie den Handel mit Waren, die Erbringung von nicht-finanziellen Dienstleistungen oder die Produktion von Gütern, verfolgt werden. Ob das im gegenständlichen Fall erfüllt war, klärte der VwGH jedoch nicht abschließend.

 

  1. Zusammengefasst definiert der VwGH wichtige Maxime zur Qualifikation eines AIF. Es ist eine präzise rechtliche Abgrenzung erforderlich. Unternehmen, die Kapital von Anlegern sammeln, sollten beachten, dass klar definierte Anlagestrategien eine Genehmigung nach dem Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz (“AIFMG”) erfordern können.
Das Team
Raphael Toman
Partner / Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Compliance & Interne Untersuchungen, Kapitalmarktrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht & Regulatory, IP & Datenschutz, Legal Tech
Raphael betreut vorwiegend Finanzdienstleister in Verfahren vor Zivil- wie Verwaltungsgerichten sowie bei regulatorischen Fragestellungen, Geldwäscheprävention, Sanktionen sowie Kryptowerte. Daneben vertritt er Mandant:innen aus verschiedenen Branchen in (grenzüberschreitenden) streitigen Verfahren. Weiters unterstützt er Unternehmen in datenschutzrechtlichen Belangen, und ist selbst Datenschutzbeauftragter bei einem Biotechunternehmen sowie einem internationalen Sportverband.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2011; Dr. iur. 2019)
New York University, Leistungsstipendium der Universität Wien (LL.M. 2017)
Zulassung als Rechtsanwalt auch in New York (2017)
Stagiaire bei der International Chamber of Commerce (2018)


Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine Mandant:innen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)