Bargeld adieu? Der digitale Euro steht in den Startlöchern

Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Fabian Schinerl, Klemens Achleitner

Am 28. Juni 2023 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Einführung eines digitalen Euros vorgestellt. Damit soll eine international wettbewerbsfähige Währung geschaffen werden. Viele Punkte bleiben dabei aber vorerst offen. Im Folgenden ein erster Überblick.

Von der Europäischen Zentralbank gestützt

Der digitale Euro soll als virtuelle Version des Gemeinschaftsbargelds eingeführt werden und den elektronischen Zahlungsverkehr sicherer machen. Dabei drängt sich die Frage auf, inwiefern die Nutzung des digitalen Euros von der Nutzung von Kreditkarten oder Zahlungsdienstleistungen wie PayPal oder ApplePay abweicht.

Das Besondere: Beim digitalen Euro handelt es sich um Zentralbankengeld. Der Unterschied zu Giralgeld, welches auf dem Bankkonto gebucht ist, ist jener, dass das Giralgeld lediglich eine Forderung gegenüber der Bank darstellt. Bei Giralgeld ist man somit auf die Liquidität der Bank angewiesen, geht diese in Konkurs, ist das Guthaben – abgesehen von der Einlagensicherung – verloren. Zentralbankengeld hingegen ist nahezu risikolos, da eine Zentralbank – in diesem Fall die Europäische Zentralbank (“EZB”) – den Wert des Geldes, das sie ausgibt, garantiert und dafür einsteht.

Damit geht auch ein Annahmezwang gegenüber digitalen Euro einher, sprich Händler:innen sind verpflichtet, Zahlungen in digitalen Euro zu akzeptieren. Kleinstunternehmen sollen vom Annahmezwang aber befreit sein, sofern sie keine anderen digitalen Zahlungsmittel annehmen.

Funktionsweise

Ähnlich wie bei einem traditionellen Bankkonto sollen Nutzer:innen des digitalen Euros die Möglichkeit haben, über ein Zahlungskonto zu verfügen. Dieses Konto ermöglicht es, digitales Geld auf eine Wallet oder Karte zu übertragen. Dabei können Banken und andere Zahlungsdienstleister, die in der Europäischen Union zugelassen sind, Zahlungsdienste im Zusammenhang mit dem digitalen Euro abwickeln. Auf diese Weise kann die neue Währung effizient unter der Bevölkerung verbreitet werden.

Zahlungen mit dem digitalen Euro sollen sowohl online als auch offline bequem möglich sein. Im Gegensatz zu herkömmlichen Online-Zahlungen ist es beim digitalen Euro nicht erforderlich, Informationen an die Hausbank zu übertragen. Dadurch wird eine höhere Privatsphäre gewährleistet. Besonders im Offline-Modus wird die Anonymität noch weiter gestärkt, da die Bank lediglich den genutzten Betrag, ähnlich wie bei einer Bargeldabhebung am Bankautomaten, erfährt.

Obergrenze für das Halten von digitalen Euro

Die Stützung des digitalen Euro durch die Europäische Zentralbank (EZB) hat bei Banken die Besorgnis geweckt, dass bestehende Bankeinlagen abfließen könnten, da Kunden keine Einbußen befürchten müssen. Um dem entgegenzuwirken, strebt die Kommission an, die Verwendung des digitalen Euro als Wertaufbewahrungsmittel einzuschränken. So ist es unter anderem geplant, dass der digitale Euro nicht verzinst wird. Des Weiteren wird eine Obergrenze für den Betrag an digitalem Euro vorgeschlagen, über den eine Person verfügen kann. Eine genaue Zahl wurde noch nicht genannt, jedoch wurde ein Rahmen von 3000 – 4000 digitalen Euro pro Person vorgeschlagen.

Die praktischen Implikationen einer solchen Limitierung werden aber durch das “(reverse) Waterfall”-Prinzip abgeschwächt. Sollten durch eine Zahlung zu viel oder zu wenig digitale Euro vorhanden sein, soll der überschüssige oder fehlende Betrag automatisch von einem herkömmlichen Konto bezogen werden.

Bargeld bleibt Bestandteil des Zentralbankengeldes

Die Einführung des digitalen Euros geht jedoch auch mit Bedenken und Sorgen einher. So befürchten manche Bürger/innen einen ersten Schritt zur Abschaffung des Bargelds, womit Sie dem Staat gegenüber “gläsern” werden. Um diesen Ängsten entgegenzutreten, hat die Europäische Kommission zeitgleich einen weiteren Rechtsakt vorgestellt, der die Bedeutung von Bargeld innerhalb der EU schützen soll. Darin betont die Europäische Kommission, dass der digitale Euro keinesfalls das Papier- und Münzgeld ersetzen soll, sondern den EU-Bürger:innen lediglich eine zusätzliche Alternative bieten möchte.

Ausblick und weiteres Verfahren

Bis die digitale Währung aber tatsächlich Realität wird, wird es wohl noch einige Zeit dauern. So wird die EZB erst bis etwa Oktober die Untersuchungsphase abschließen, bei welcher geprüft wird, wie sich der digitale Euro ausgestalten und technisch umsetzen lässt. Danach hat die EZB darüber zu entscheiden, ob mit der Implementierung des digitalen Euros begonnen wird. Die Implementierungsphase selbst dauert voraussichtlich selbst nochmals 3 Jahre.

Inzwischen können bis 25.8.2023 Rückmeldungen zu dem Verordnungsvorschlag bei der Europäischen Kommission eingebracht werden. Danach muss der Vorschlag in Einklang mit dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren der EU noch vom Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union gebilligt werden, bevor die Verordnung erlassen werden kann.

Wurde der Rechtsakt angenommen und hat die EZB ihre Vorbereitungsarbeiten abgeschlossen, so sieht der Vorschlag vor, dass es in der Kompetenz der EZB liegt, final zu entscheiden, ob und wann digitale Euro ausgegeben werden. Voraussichtlich er dann frühestens 2026 ausgegeben werden, wobei eher mit einer Einführung im Jahr 2028 gerechnet wird.

Das Team
Fabian Schinerl
Legal Expert / Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht
Klemens Achleitner
Next Generation / Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht
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