Erst jüngst soll die Einlagensicherung auf 490 Mio € geklagt haben (und musste für die Pauschalgebühr selbst tief in die Tasche greifen). Zwar sind Kurzdiagnosen immer gefährlich, doch ist die medial kolportierte Rechtfertigung der Republik, warum die Ansprüche nicht zu Recht bestehen sollen, durchaus bemerkenswert. Drei Verteidigungslinien lassen sich ausmachen: Erstens, der FMA seien bei der Aufsicht über Banken keine kriminalpolizeilichen Befugnisse zugekommen. Zweitens, die Staatsanwaltschaft hätte wegen des Bankgeheimnisses ohnehin keine Berichte einsehen dürfen. Drittens, eine Haftung der Republik für FMA und OeNB sei nach § 3 Abs 1 FMABG gegenüber den Bankkunden ausgeschlossen. Ob eines dieser Argumente letztlich sticht, werden die Gerichte klären.
So mag es zutreffen, dass die FMA nicht wie im Kriminalfilm ”mit gezogener Waffe” Hausdurchsuchungen durchführen kann. Aber das braucht sie auch nicht, hat sie doch mindestens ebenso effektive Mittel im Repertoire. Neben den in der Praxis gefürchteten Vor-Ort-Prüfungen kann die FMA jederzeit Auskünfte von den beaufsichtigten Instituten verlangen. Garniert mit den laufenden Meldepflichten der Banken nach CRR und BWG, erhält die FMA so tiefe Einblicke in die beaufsichtigten Rechtsträger. Und dank mittlerweile drakonischer Verwaltungsstrafen kann sich die Behörde auch sicher sein, dass die Betroff enen ihren Pflichten tatsächlich nachkommen. Neben eindrucksvollen Geldstrafen in Millionenhöhe mögen ebenso die Auswirkungen auf ”Fitness and Propriety” sowie das gern praktizierte ”an den Pranger Stellen” Bankvorstände zur ”Compliance” motivieren. Ins Treffen führt die Republik ferner, die StA sei durch das Bankgeheimnis daran gehindert gewesen, Ermittlungen einzuleiten. Zwar trifft es zu, dass das Bankgeheimnis nur mittels richterlicher Anordnung durchbrochen werden darf (§ 38 Abs 2 Z 1BWG), allerdings heißt das nicht zwingend, dass die StA allfällige Verdachtsfälle ad acta legen kann. Spannung verspricht hier ein weiterer Aspekt: Derzeit prüft die StA die Vermutung, dass die FMA Teile der Whistleblower-Meldung aus dem Jahr 2015 nicht an die StA weitergeleitet hat – und zwar jene Punkte, die sich auf gefälschte Konten und Kredite bezogen.
Eine kniffige Nuss enthält § 3 Abs 1 FMABG. Ein Teil der Lehre versteht das als Ausschluss von Amtshaftungsansprüchen aus dem Kreis des Anlegerpublikums, weil im Gesetz nur die beaufsichtigten Rechtsträger genannt sind. Der Gesetzgeber wollte damit in der Tat Anlegerschäden als ”Reflexschäden” des Aufsichtshandelns von der Amtshaftung ausschließen. Fraglich ist, ob das gelungen ist. Die Wendung ”Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen”, könnte man auch so verstehen, dass Schäden der beaufsichtigten Rechtsträger jedenfalls zu ersetzen sind; ein Ausschluss von Anlegeransprüchen ist damit nicht zwingend verbunden. Aus teleologischer Sicht würde ein Ausschluss von Anlegeransprüchen zumindest befremden. Nach der Rsp des OGH sollen ”[d]urch das Instrument der Bankenaufsicht […] auch Anleger (Sparer) vor Verlusten geschützt werden”; die Bankenaufsicht dient auch dazu, ”Der Insolvenz von Banken entgegenzuwirken, indem Missstände rechtzeitig erkannt und abgestellt sowie drohende Gefahren abgewendet werden”.
Anlegerschutz ist somit kein bloßer Reflexschutz, Anlegerschäden sind entgegen der Auffassung des historischen Gesetzgebers auch nicht schlechthin ”Reflexschäden”. Nun besteht ein Zweck des Haftungsrechts darin, durch die drohende Ersatzpflicht die Haftungsadressaten zu besonders sorgfältigem Verhalten zu motivieren. Die Einschränkung des Kreises der Anspruchsberechtigten auf die beaufsichtigten Unternehmen würde dem Präventionszweck des Haftungsrechts zuwiderlaufen. Kämen nur die beaufsichtigten Unternehmen in den Genuss der Amtshaftung, so würde die Anspannung der Sorgfalt nur bei rechtswidrig überschießenden Aufsichtsmaßnahmen, nicht aber bei rechtswidrig unterlassenen Aufsichtsmaßnahmen greifen. Das würde rechtspolitisch fragwürdige Fehlanreize mit sich bringen. Selbst wenn man einen Haftungsausschluss in § 3 Abs 1 FMABG sieht, müsste sich dieser doch an der Verfassung messen lassen.
Dieser Artikel ist in der ZFR 2/2021 erschienen.