Österreich veröffentlicht Gesetzesentwurf zur Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie

Article • Gesellschaftsrecht & Transaktionen von Stephan Strass, Lukas Berghuber

Die Richtlinie (EU) 2019/2121 stellt einen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung des EU-Gesellschaftsrechts dar, da sie einen verlässlichen Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Umstrukturierungen innerhalb der EU schafft. Kurz vor dem Ende der Umsetzungsfrist hat auch das österreichische Justizministerium den lang erwarteten Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Richtlinie veröffentlicht. Wir haben einen ersten Blick auf den Entwurf geworfen.

  1. Grenzüberschreitende Umgründungen – Status Quo

Grenzüberschreitende Umstrukturierungen sind aus wirtschaftlichen, administrativen, steuerlichen oder rechtlichen Gründen von enormer Bedeutung, insbesondere für international tätige Unternehmen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in den letzten Jahren in mehreren Grundsatzentscheidungen die Mobilität von EU-Unternehmen gefördert. Mit Ausnahme der Richtlinie über die grenzüberschreitende Verschmelzung (EU) 2005/56/EG, die Österreich im EU-Verschmelzungsgesetz umgesetzt hat, fehlte jedoch bisher ein EU-weiter Rechtsrahmen für andere grenzüberschreitende Umstrukturierungen. In Ermangelung einheitlicher Regeln und Verfahren waren Unternehmen in der EU, die sich auf andere Weise als durch eine Verschmelzung grenzüberschreitend verlagern wollten, daher gezwungen, sich auf den guten Willen der zuständigen Behörden zu verlassen oder auf ihr Vorhaben zu verzichten.

Die Richtlinie (EU) 2019/2121 soll diese Lücke schließen. Der österreichische Gesetzesentwurf zur Umsetzung dieser Richtlinie sieht vor, dass grenzüberschreitende Umwandlungen, Spaltungen und Verschmelzungen in einem neuen Gesetz mit der Bezeichnung “EU-Umgründungsgesetz” geregelt werden.

 

  1. Der Entwurf des EU-Umwandlungsgesetzes – ein kurzer Überblick

Das EU-Umwandlungsgesetz regelt die Voraussetzungen und Verfahren für die Durchführung von grenzüberschreitenden Umwandlungen, Spaltungen und Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften von und nach Österreich. Das EU-UmwG enthält zwar für jede Umgründungsart eigene Regelungen, die im Detail voneinander abweichen, die entsprechenden Vorschriften beruhen aber weitgehend auf denselben Grundprinzipien:

  • Dokumentation und Verfahren: Es sind ein Sanierungsplan und ein Sanierungsbericht zu erstellen und – außer unter bestimmten Umständen – von einem unabhängigen Sachverständigen zu prüfen. Weiters sieht der Entwurf ein einheitliches Prüfungs- und Durchführungsverfahren vor der zuständigen Behörde (in Österreich: Firmenbuchgericht) vor.
  • Schutz der Minderheitsaktionäre: Minderheitsaktionären wird ein “Ausstiegsrecht” eingeräumt: Sie können gegen eine Barabfindung aus der von der Umstrukturierung betroffenen Gesellschaft aussteigen. Die Angemessenheit einer solchen Abfindung wird von einem unabhängigen Sachverständigen überprüft und kann gerichtlich angefochten werden.
  • Erweiterter Gläubigerschutz: Die Gläubiger haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine Sicherheitsleistung. Soweit die Forderungen der Gläubiger durch die Reorganisation gefährdet, aber nicht ausreichend gesichert sind, darf die Reorganisation nicht durchgeführt werden.
  • Schutz der Arbeitnehmer: Die Arbeitnehmer des sanierenden Unternehmens haben einen Anspruch auf umfassende und rechtzeitige Information über die geplanten Maßnahmen. Darüber hinaus berücksichtigt das EU-Reorganisationsgesetz die Interessen der Arbeitnehmer, indem es ihnen die Möglichkeit gibt, zur Umstrukturierung Stellung zu nehmen.

 

  1. Fazit und Ausblick

Das lang erwartete EU-Umwandlungsgesetz wird durch die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für grenzüberschreitende Spaltungen und Umwandlungen eine Lücke in der Unternehmenslandschaft schließen und zu einer erhöhten Mobilität der (österreichischen) Unternehmen führen. Darüber hinaus wird das EU-UmwG das EU-Verschmelzungsgesetz ablösen und damit ein neues Regelungsregime für grenzüberschreitende Verschmelzungen unter Beteiligung österreichischer Kapitalgesellschaften schaffen. Da die Begutachtungsfrist für den Gesetzesentwurf bereits am 24. Februar 2023 abläuft, ist mit einem baldigen Inkrafttreten des EU-Umwandlungsgesetzes zu rechnen.

Das Team
Stephan Strass
Partner / Gesellschaftsrecht & Transaktionen, Venture Capital & Start-ups, Biotech & Life Sciences
Stephan berät innovative Start-ups, institutionelle und strategische Investoren und andere Unternehmen bei Akquisitionen, Finanzierungsrunden, Joint Ventures und Exit-Transaktionen mit Fokus auf stark regulierten Branchen wie Life Sciences, Biotech und Leisure & Entertainment. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt auf Technologie-Transaktionen im Bereich Life Sciences und Biotech und umfasst unter anderem universitäre Ausgründungen und Spin-offs, strategische Kooperationen, Patent- und Technologielizenzen und Transaktionen zum Erwerb von geistigem Eigentum.

Er ist Co-Autor von Kommentaren zum EU-Verschmelzungsgesetz und Investmentfondsgesetz sowie Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen..

Harvard Law School, Master of Laws (LL.M. 2019)
Universität Wien, Juristische Fakultät (Mag. iur. 2015)
Lukas Berghuber
Legal Expert
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