Commerzialbank Privatgutachten: Versagen der Prüfinstanzen

Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Ernst Brandl, Raphael Toman

Ein von Brandl Talos in Auftrag gegebenes Gutachten zur Causa Commerzialbank ortet ein Versagen der Prüfinstanzen. Ernst Brandl und Raphel Toman vertreten zwei Kläger gegen das Land Burgenland sowie die Republik.

Das der APA vorliegende Gutachten kommt unter anderem zu dem Schluss, dass schon eine Analyse der öffentlich zugänglichen Informationen bei der Aufsicht die Alarmglocken auslösen hätte müssen.

Anwalt vertritt zwei Sparer

Brandl vertritt eine Sparerin und einen Sparer, die ihr Geld bei der Commerzialbank zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingelegt hatten und durch die Pleite im vergangenen Sommer tausende Euro verloren haben. In einem Fall geht es um rund 88.000 Euro, im zweiten um 426.000 Euro. Am Landesgericht Eisenstadt findet am 1. Juni ein Prozess dazu statt. Die Klagen richten sich nicht nur gegen das Land Burgenland, wo Brandl eine Pflichtverletzung als Revisionsverband ortet, sondern auch gegen die Republik. In Kürze findet am Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien die erste Tagsatzung gegen die Republik statt.

Gutachter: Es gab „Red Flags“

Für das Gutachten haben die beiden Universitätsprofessoren Ewald Aschauer und Roman Rohatschek untersucht, ob Auffälligkeiten bei den Kennzahlen der Commerzialbank ersichtlich waren. Diese Prüfung erfolgte auf Basis der öffentlich verfügbaren Jahresabschlussdaten im Vergleich zu anderen Regionalbanken. Schon auf dieser obersten Ebene der verfügbaren Informationen zeigen sich „erhebliche Auffälligkeiten“, dabei hätten Finanzmarktaufsicht und Nationalbank weit mehr und tiefergehende Daten zur Verfügung, so Aschauer. „Klar ist, es gab ‚Red Flags‘. Da hätte jede Prüfinstanz aufschrecken müssen“, verwies er etwa auf den Aufsichtsrat oder den Abschlussprüfer und allgemein auf Prüfungsinstitutionen.

Zinssatz für Gutachter auffällig hoch

Bei der Prüfung einer Bank brauche es einen risikoorientierten Blick und schon anhand typischer Bilanzkennzahlen zeige sich, dass diese bei der Mattersburger Bank teilweise weit außerhalb des Durchschnitts gelegen seien: „Da muss jeder Prüfer dem auf den Grund gehen und weitere Prüfungshandlungen setzen.“ Auffällig war unter anderem der hohe Zinssatz, den die Commerzialbank ihren Kunden im Vergleich zu anderen Regionalbanken gewährte.

Während sich die Zinssätze für Einlagen bei den Vergleichsbanken kaum unterschieden, sei jener der Commerzialbank bei 565 Prozent des Medians (+0,7 Prozentpunkte) gelegen. Noch kritischer sind die hohen Kreditzinssätze, die die Commerzialbank an ihre Kunden verrechnete. Diese lagen ebenfalls weit über dem Median (im Maximum 202 Basispunkte über dem Median der Vergleichsbanken). Daraus lasse sich ableiten, dass die Kredite der Commerzialbank einem wesentlich höheren Risiko ausgesetzt sein müssten.

Anwalt: FMA analysiert Daten offenbar nicht

Für Brandl zeigt das Gutachten, dass die Finanzmarktaufsicht (FMA) zwar Daten sammle, diese aber offenbar nicht analysiere. Schon eine Analyse der öffentlich zugänglichen Infos hätte seiner Meinung nach zu dem Ergebnis führen müssen, dass bei der Commerzialbank etwas nicht stimmt, denn die Bank sei in der überwiegenden Anzahl der überprüften Kenndaten krass abgewichen. Ein funktionierendes Analysetool hätte hier angeschlagen, zeigte sich der Anwalt überzeugt. Spätestens nach der Anzeige eines Whistleblowers hätte die Finanzmarktaufsicht nachforschen müssen, betonte Brandl weiters.

Original erschienen auf ORF.at

Das Team
Ernst Brandl
Of Counsel / Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Compliance & Interne Untersuchungen, Kapitalmarktrecht, Legal Tech
Ernst Brandl gründete die Kanzlei im Jahr 2000 gemeinsam mit Thomas Talos. Ernst Brandl ist Mitherausgeber des Kommentars zum Wertpapieraufsichtsgesetz und (Co-)Autor zahlreicher Publikationen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. Iur. 1990, Dr. iur. 1993)
The University of Chicago, The Law School (LL.M. 1991)
Harvard University Graduate School of Business Administration (M.B.A. 1995)
Raphael Toman
Partner / Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Compliance & Interne Untersuchungen, Kapitalmarktrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht & Regulatory, IP & Datenschutz, Legal Tech
Raphael betreut vorwiegend Finanzdienstleister in Verfahren vor Zivil- wie Verwaltungsgerichten sowie bei regulatorischen Fragestellungen, Geldwäscheprävention, Sanktionen sowie Kryptowerte. Daneben vertritt er Mandant:innen aus verschiedenen Branchen in (grenzüberschreitenden) streitigen Verfahren. Weiters unterstützt er Unternehmen in datenschutzrechtlichen Belangen, und ist selbst Datenschutzbeauftragter bei einem Biotechunternehmen sowie einem internationalen Sportverband.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2011; Dr. iur. 2019)
New York University, Leistungsstipendium der Universität Wien (LL.M. 2017)
Zulassung als Rechtsanwalt auch in New York (2017)
Stagiaire bei der International Chamber of Commerce (2018)


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