Erleichterungen im Prospektrecht

Article • Kapitalmarktrecht von Raphael Toman, Fabian Schinerl

Der Börsengang ist kostspielig. Nicht jedes Unternehmen kann einfach an die Börse gehen; akzeptiert werden nur Aktiengesellschaften, die eine Reihe von strikten Auflagen erfüllen (Markteintrittsschranke). So unterliegt das öffentliche Angebote von Wertpapieren oder ihre Zulassung an einem geregelten Markt der Prospektpflicht nach der EU-Prospektverordnung ("PVO").

Diese macht sehr umfangreiche und detaillierte Vorgaben zum Prospektinhalt. Insbesondere bei der Vorbereitung und Umsetzung prospektpflichtiger Maßnahmen entsteht besonders für KMUs ein im Verhältnis zur Unternehmensgröße außerordentlich hoher Aufwand. Immer mehr Unternehmen sehen daher vom Börsengang ab. Der europäische Gesetzgeber möchte diesen negativen Entwicklungen nun entgegenwirken: Unlängst hat die EU-Kommission einen Verordnungsentwurf vorgelegt – den sogenannten EU Listing Act (COM(2022)762) *. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Erleichterungen im Prospektrecht.

1. Werden im Zuge einer Kapitalerhöhung neue Aktien ausgegeben, so ist grundsätzlich auch für diese ein Prospekt zu erstellen. Zum Teil sieht die PVO bereits jetzt Ausnahmen vor (Art 1(5) PVO). Diese sollen durch den EU Listing Act deutlich ausgeweitete werden: In Zukunft sollen öffentliche Angebote und die Zulassung neuer Aktien prospektfrei durchgeführt werden dürfen, sofern sie über die zurückliegenden 12 Monate betrachtet, insgesamt weniger als 40 % der bereits zum Handel zugelassenen Wertpapiere betreffen und mit diesen fungibel sind.

2. Die PVO gilt nicht für öffentliche Angebote von Wertpapieren mit einem Gesamtgegenwert von weniger als EUR 1 Mio. Darüber hinaus ist es den Mitgliedstaaten erlaubt – in Anbetracht der unterschiedlichen Größe der Finanzmärkte – öffentliche Angebote von Wertpapieren von der Prospektpflicht innerhalb bestimmter Schwellenwerte (EUR 1 Mio – EUR 8 Mio) auszunehmen. Die Mitgliedstaaten haben hiervon unterschiedlichen Gebrauch gemacht; in Österreich lag der Schwellenwert bspw bei EUR 5 Mio, in Deutschland bei EUR 8 Mio. Der EU Listing Act soll die unterschiedlichen Schwellenwerte nun vereinheitlichen: Der Höchstbetrag für prospektfreie öffentliche Angebote soll generell auf EUR 12 Mio innerhalb eines Zwölfmonatszeitraums angehoben werden.

3. Ebenfalls soll der EU Listing Act eine verstärkte Standardisierung der Prospektunterlagen mit sich bringen und den Prospektumfang mit 300 DIN A4-Seiten begrenzen.

Obwohl eine umfassende Regulierung des Finanzmarktes von entscheidender Bedeutung für dessen Integrität und Stabilität ist, darf die Regulierung nicht zu einem unüberwindbaren Hindernis für die Nutzung der Kapitalmärkte führen. Daher ist es zu begrüßen, dass sich dereuropäische Gesetzgeber ermutigt fühlt, in Richtung einer modernen und angemessenen Ausbalancierung des Rechtsrahmens voranzuschreiten. Dies eröffnet die Chance für KMU, die Finanzierung am Kapitalmarkt attraktiver zu gestalten und das Wachstum von Unternehmen zu fördern.

Wir freuen uns auf den EU Listing Act und beraten Sie gerne!

Raphael Toman/Fabian Schinerl

 

* Der EU Listing Act wird aktuell vom Rat der Europäischen Union und dem EU-Parlament verhandelt. Einzelheiten könnten sich daher noch ändern. Wann die Verordnung beschlossen wir, ist aktuell noch unklar. Wir erwarten ein Inkrafttreten im Jahr 2025.

Das Team
Raphael Toman
Partner / Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Compliance & Interne Untersuchungen, Kapitalmarktrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht & Regulatory, IP & Datenschutz, Legal Tech
Raphael betreut vorwiegend Finanzdienstleister in Verfahren vor Zivil- wie Verwaltungsgerichten sowie bei regulatorischen Fragestellungen, Geldwäscheprävention, Sanktionen sowie Kryptowerte. Daneben vertritt er Mandant:innen aus verschiedenen Branchen in (grenzüberschreitenden) streitigen Verfahren. Weiters unterstützt er Unternehmen in datenschutzrechtlichen Belangen, und ist selbst Datenschutzbeauftragter bei einem Biotechunternehmen sowie einem internationalen Sportverband.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2011; Dr. iur. 2019)
New York University, Leistungsstipendium der Universität Wien (LL.M. 2017)
Zulassung als Rechtsanwalt auch in New York (2017)
Stagiaire bei der International Chamber of Commerce (2018)


Fabian Schinerl
Legal Expert / Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht