OGH 18.11.2022, 6 Ob 204/22a – Auslegung von Patronatserklärungen

Article • Kapitalmarktrecht von Christian Lenz

Die Finanzierung von Immobilien ist kostspielig und ohne ein Darlehen zumeist nicht möglich. Banken vergeben einen Kredit allerdings nur, wenn die Kreditnehmer:innen ausreichend Sicherheiten anbieten kann. Neben Pfandrechten und Bürgschaften kommen dabei auch Patronatserklärungen in Betracht. Dabei erklärt eine dem/der Schuldner:in nahestehenden Person (Patron), für die Zahlungsfähigkeit Sorge zu tragen. Inhaltlich kann eine Patronatserklärung verschieden ausgestaltet sein: Das Spektrum reicht von einer unverbindlichen Erklärung (weiche Patronatserklärung), über eine Verwendungszusage bis hin zur Garantie (harte Patronatserklärung). Im Ausgangsfall musste der Oberste Gerichtshof (OGH) die folgende Patronatserklärung auslegen: ”Die Gesellschafter verpflichten sich, weiteres Eigenkapital zur Verfügung zu stellen, falls sich das Projekt finanziell negativ entwickelt.” Fraglich war, ob es sich hierbei um eine weiche oder harte Patronatserklärung handelt.

Der Gerichtshof hielt dabei Folgendes fest: Ist der objektive Aussagewert einer Patronatserklärung zweifelhaft, ist ihr rechtlicher Gehalt nach dem Wortsinn und der erkennbaren Absicht des Erklärenden zu ermitteln. Zur Ermittlung dieser Absicht sind alle den Vertragsabschluss begleitenden Umstände des Einzelfalls, insbesondere die sonstigen Erklärungen der Parteien, heranzuziehen. Im Ausgangsfall hatten die beklagten Gesellschafter bereits eine Bürgschaft abgeschlossen und zusätzlich noch persönliche Darlehen aufgenommen, um den Kredit der Gesellschaft zurückzuzahlen. Nach Ansicht des Gerichtshofs hat die Bank daher nicht annehmen dürfen, dass die Gesellschafter:innen – durch die Patronatserklärung – noch eine weitere (persönliche) Haftung für den gesamten Kreditbetrag der Gesellschaft übernehmen wollten. Der OGH kam daher zum Schluss, dass es sich um eine weiche Patronatserklärung – und damit um eine unverbindliche Erklärung – handelt.

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Christian Lenz

Das Team
Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine Mandant:innen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)

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