OGH 4.11.2021, 5 Ob 168/21y: Beginn der Verjährungsfrist bei vereinbarungswidrigem Depot-Verkauf

Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Christian Lenz

In einer jungen Entscheidung (5 Ob 168/21y) hatte der Oberste Gerichtshof (OGH) zu beurteilen, wann ein Schadenersatzanspruch zu verjähren beginnt, der durch den vereinbarungswidrigen Verkauf eines Wertpapierdepots entstanden ist. Der klagende Eigentümer verpfändete dem beklagten Kreditinstitut zur Besicherung der Kreditverbindlichkeit eines Dritten sein Wertpapierdepot. Die Tilgung sollte dadurch erfolgen, dass eine zur Besicherung dieser Kreditverbindlichkeit verpfändete Liegenschaft des Kreditnehmers realisiert wird. Das Kreditinstitut sollte das Wertpapierdepot freistellen, sobald die Liegenschaft verwertet ist. Entgegen dieser Vereinbarung veräußerte das Kreditinstitut das Wertpapierdepot allerdings vor Verwertung der Liegenschaft. Der Eigentümer der Wertpapiere machte Schadenersatz geltend.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Sie begründeten dies damit, dass der Schadenersatzanspruch, der dem Depot-Eigentümer durch die Verwertung des Depots entstanden ist, zum Zeitpunkt der Geltendmachung bereits verjährt gewesen sei, weil die Klage mehr als drei Jahre nach dem Depotverkauf eingebracht wurde. Der Kläger wandte sich mit einer außerordentlichen Revision an den OGH und brachte vor, dass eine erfolgversprechende Klage erst zu dem Zeitpunkt möglich gewesen sei, als er die schriftliche Vereinbarung betreffend die Verpfändung des Wertpapierdepots von der beklagten Bank erhielt. Die Verjährungsfrist habe daher nicht im Zeitpunkt des Depot-Verkaufs zu laufen begonnen, sondern erst mit Übermittlung der schriftlichen Vereinbarung. Der OGH hielt dieses Argument für nicht überzeugend. Dass dem Kläger die Untermauerung dieses Sachverhalts erst durch Vorlage der dies bekundenden Vereinbarung möglich gewesen wäre, war für den OGH nicht nachvollziehbar, weil der Kläger ebenso Zeugen hätte führen können, die bei Unterzeichnung der Vereinbarung anwesend waren. Der OGH folgte somit den Vorinstanzen, wonach die Verjährungsfrist bereits mit Kenntnis des vereinbarungswidrigen Verkaufs des Wertpapierdepots zu laufen begann.

 

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Christian Lenz

 

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Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine MandantInnen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)

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