Eine Entscheidung des VwGH stellt die delegierte Portfolioverwaltung auf den Kopf

Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Raphael Toman, Christian Lenz

a) Kapitalanlagegesellschaften (KAG) sind im Rahmen ihrer Tätigkeit mit einer Vielzahl von aufsichtsrechtlichen Anforderungen konfrontiert. Das Gesetz ermöglicht es ihnen jedoch, einige ihrer Tätigkeiten – so auch die Kerntätigkeit der Verwaltung eines Fonds – an Dritte auszulagern. Die Übertragung von Fondsverwaltungsaufgaben hat sich mittlerweile als bedeutender Wirtschaftszweig der Investmentbranche herausgebildet. Eine solche Übertragung ist im Wesentlichen davon geprägt, dass Dritte (Wertpapierfirmen oder Banken) das Fondsvermögen verwalten und dafür eine Provision erhalten.

b) Bisher wurde die delegierte Verwaltungstätigkeit als Portfolioverwaltung auf Einzelkundenbasis nach § Z 3 lit d WAG qualifiziert. Damit wurde die kollektive Portfolioverwaltung, die eigentlich dem InvFG unterliegt, aufsichtsrechtlich dem WAG 2018 unterworfen, das die individuelle Portfolioverwaltung regelt. Die Vorteile solcher Konstruktionen liegen auf der Hand: Der KAG kommen nur mehr nachgelagerte Kontrollpflichten zu, die Tätigkeit selbst wird vom Dritten ausgeführt. Das Unternehmen, an das ausgelagert wurde, musste auf der anderen Seite für sämtliche verwaltete Portfolio lediglich die ihm bekannten Regeln beachten – etwa zu Interessenkonflikten, Wohlverhaltensregeln oder Organisationsanforderungen.

c) Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH 15.6.2023, Ra 2021/02/0176)) stellte diese Auslegung jedoch jüngst auf den Kopf. Der VwGH sprach aus, dass die Delegation von Aufgaben der kollektiven Portfolioverwaltung nichts am Charakter dieser Dienstleistung ändere, weshalb die Bestimmungen der kollektiven Portfolioverwaltung auch für externe Portfoliomanager zu beachten seien. Die Bestimmungen der individuellen Portfolioverwaltung seien daher nicht anwendbar, weil der Gesetzgeber immer schon zwei voneinander getrennte Regelungsregime schaffen wollte.

d) Für externe Fondsmanager gehen mit dieser Entscheidung wesentliche Änderungen einher. Soweit Wertpapierfirmen sowohl die individuelle als auch die kollektive Portfolioverwaltung ausüben, müssen diese zukünftig parallel zum Regelungsregime des WAG 2018 auch jenes des InvFG berücksichtigen. Damit geht in Zukunft für diese ein erheblicher administrativer Aufwand einher.

Das Team
Raphael Toman
Partner / Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Compliance & Interne Untersuchungen, Kapitalmarktrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht & Regulatory, IP & Datenschutz, Legal Tech
Raphael betreut vorwiegend Finanzdienstleister in Verfahren vor Zivil- wie Verwaltungsgerichten sowie bei regulatorischen Fragestellungen, Geldwäscheprävention, Sanktionen sowie Kryptowerte. Daneben vertritt er Mandant:innen aus verschiedenen Branchen in (grenzüberschreitenden) streitigen Verfahren. Weiters unterstützt er Unternehmen in datenschutzrechtlichen Belangen, und ist selbst Datenschutzbeauftragter bei einem Biotechunternehmen sowie einem internationalen Sportverband.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2011; Dr. iur. 2019)
New York University, Leistungsstipendium der Universität Wien (LL.M. 2017)
Zulassung als Rechtsanwalt auch in New York (2017)
Stagiaire bei der International Chamber of Commerce (2018)


Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine Mandant:innen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)

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