1. Nach § 4 der Standesregeln für Kreditvermittlung (“Standesregeln”) ist ein:e Kreditvermittler:in vor Ausübung jeder Vermittlungstätigkeit verpflichtet, den/die Verbraucher:in über das für die Kreditvermittlung gegebenenfalls zu zahlende Entgelt zu informieren. Diese Bestimmung geht auf die europäische Richtlinie zu Wohnimmobilienkreditverträgen für Verbraucher (“WIKrRL”) zurück. Der Oberste Gerichtshof (“OGH”) hatte kürzlich in der Entscheidung 4 Ob 91/23w zu beurteilen, ob ein Verstoß gegen diese Informationspflicht den Entfall des gesamten Entgeltanspruchs zur Folge hat.
2. Ausgangspunkt der Entscheidung war die Vermittlung eines Kredits an einen Verbraucher für die Finanzierung eines Immobilienkaufs. Die Kreditvermittlerin besprach mit dem Verbraucher im Vorfeld weder die Höhe ihres Honorars noch wies sie ihn auf einen entsprechenden Prozentsatz als Berechnungsgrundlage hin. Ungeachtet dessen verrechnete die Kreditvermittlerin dem Verbraucher eine Vermittlungsprovision. Der Verbraucher verweigerte in der Folge die Zahlung und wendete ein, dass die Kreditvermittlerin gegen die Informationspflicht nach § 4 der Standesregeln verstoßen habe und ihr Entgeltanspruch daher gänzlich entfallen sei.
3. Der OGH stellte jedoch klar, dass nicht jedes Rechtsgeschäft, das in irgendeiner Weise gegen die Rechtsordnung verstößt, immer zugleich auch nichtig ist. Diese Rechtsfolge tritt vielmehr nur dann ein, wenn sie entweder ausdrücklich angeordnet oder vor dem Hintergrund des Verbotszwecks der jeweiligen Bestimmung erforderlich ist. Weder die Standesregeln noch die vorvertraglichen Informationspflichten des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes (“HIKrG”) – die ebenfalls auf die WIKrRL zurückgehen – sehen jedoch eine solche Rechtsfolge vor. Auch der Zweck der Informationspflichten verlangt nicht, dass allein die unterlassene Aufklärung über die zu zahlende Provision zum gänzlichen Entfall des Entgeltanspruchs führen soll. Im Ergebnis behielt die Kreditvermittlerin ihren Provisionsanspruch gegenüber dem Verbraucher.
4. Kreditvermittler müssen dennoch stets beachten, dass sie bei einer unterlassenen Aufklärung über Entgelte irrtums- oder schadenersatzrechtliche Konsequenzen treffen können.