Kreditvermittlung – Verstoß gegen Informationspflichten führt nicht automatisch zum Provisionsverlust

Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Raphael Toman, Christian Lenz

1. Nach § 4 der Standesregeln für Kreditvermittlung (“Standesregeln”) ist ein:e Kreditvermittler:in vor Ausübung jeder Vermittlungstätigkeit verpflichtet, den/die Verbraucher:in über das für die Kreditvermittlung gegebenenfalls zu zahlende Entgelt zu informieren. Diese Bestimmung geht auf die europäische Richtlinie zu Wohnimmobilienkreditverträgen für Verbraucher (“WIKrRL”) zurück. Der Oberste Gerichtshof (“OGH”) hatte kürzlich in der Entscheidung 4 Ob 91/23w zu beurteilen, ob ein Verstoß gegen diese Informationspflicht den Entfall des gesamten Entgeltanspruchs zur Folge hat.

2. Ausgangspunkt der Entscheidung war die Vermittlung eines Kredits an einen Verbraucher für die Finanzierung eines Immobilienkaufs. Die Kreditvermittlerin besprach mit dem Verbraucher im Vorfeld weder die Höhe ihres Honorars noch wies sie ihn auf einen entsprechenden Prozentsatz als Berechnungsgrundlage hin. Ungeachtet dessen verrechnete die Kreditvermittlerin dem Verbraucher eine Vermittlungsprovision. Der Verbraucher verweigerte in der Folge die Zahlung und wendete ein, dass die Kreditvermittlerin gegen die Informationspflicht nach § 4 der Standesregeln verstoßen habe und ihr Entgeltanspruch daher gänzlich entfallen sei.

3. Der OGH stellte jedoch klar, dass nicht jedes Rechtsgeschäft, das in irgendeiner Weise gegen die Rechtsordnung verstößt, immer zugleich auch nichtig ist. Diese Rechtsfolge tritt vielmehr nur dann ein, wenn sie entweder ausdrücklich angeordnet oder vor dem Hintergrund des Verbotszwecks der jeweiligen Bestimmung erforderlich ist. Weder die Standesregeln noch die vorvertraglichen Informationspflichten des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes (“HIKrG”) – die ebenfalls auf die WIKrRL zurückgehen – sehen jedoch eine solche Rechtsfolge vor. Auch der Zweck der Informationspflichten verlangt nicht, dass allein die unterlassene Aufklärung über die zu zahlende Provision zum gänzlichen Entfall des Entgeltanspruchs führen soll. Im Ergebnis behielt die Kreditvermittlerin ihren Provisionsanspruch gegenüber dem Verbraucher.

4. Kreditvermittler müssen dennoch stets beachten, dass sie bei einer unterlassenen Aufklärung über Entgelte irrtums- oder schadenersatzrechtliche Konsequenzen treffen können.

Das Team
Raphael Toman
Partner / Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Compliance & Interne Untersuchungen, Kapitalmarktrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht & Regulatory, IP & Datenschutz, Legal Tech
Raphael betreut vorwiegend Finanzdienstleister in Verfahren vor Zivil- wie Verwaltungsgerichten sowie bei regulatorischen Fragestellungen, Geldwäscheprävention, Sanktionen sowie Kryptowerte. Daneben vertritt er Mandant:innen aus verschiedenen Branchen in (grenzüberschreitenden) streitigen Verfahren. Weiters unterstützt er Unternehmen in datenschutzrechtlichen Belangen, und ist selbst Datenschutzbeauftragter bei einem Biotechunternehmen sowie einem internationalen Sportverband.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2011; Dr. iur. 2019)
New York University, Leistungsstipendium der Universität Wien (LL.M. 2017)
Zulassung als Rechtsanwalt auch in New York (2017)
Stagiaire bei der International Chamber of Commerce (2018)


Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine Mandant:innen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)

Latest insights zu
Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht
Rechtsmissbräuchlicher Rücktritt vom Maklervertrag?
Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Raphael Toman, Christian Lenz
Das im Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz ("FAGG") geregelte 14-tägige Rücktrittsrecht ist regelmäßig auch auf Maklerverträge anzuwenden. Der Oberste Gerichtshof ("OGH") musste dazu beurteilen, ob das Ausüben dieses Rücktrittsrecht vom Maklervertrag durch potenzielle Käufer einer Immobilie rechtsmissbräuchlich sein kann.
Vorläufige Einigung über EU-Geldwäsche-Package
Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Raphael Toman, Christian Lenz
Der Rat und das Parlament haben am 17.1.2024 eine vorläufige Einigung über die EU-Geldwäsche-Verordnung ("AMLR") und die sechste EU-Geldwäsche-Richtlinie ("AMLD6") erzielt. Zudem wurde am 12.2.2024 nach einem Kompromiss in den Trilogverhandlungen auch die endgültige Fassung der Verordnung zur Errichtung der europäischen Behörde ("AMLA") zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ("AMLA-VO") veröffentlicht.
Verjährungsfrist bei missbräuchlichen Klauseln: Erst ab Kenntnis
Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Raphael Toman, Christian Lenz
Im Verbraucherrecht spielt die Kontrolle von AGB-Klauseln eine wichtige Rolle. So können in AGB verwendete Klauseln, die Verbrauchern gegenüber missbräuchlich oder intransparent sind, für nichtig erklärt werden. Das ergibt sich aus der Klausel-Richtline der Europäischen Union.