Provisionsverbot in der Anlageberatung?

Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Christian Lenz, Raphael Toman

Spätestens seit der MiFID II wird auf europäischer Ebene wiederholt ein echtes Provisionsverbot – also das Verbot, dass Anlageberater:innen von Produktemittenten oder sonstigen Dritten Vergütungen erhalten – angedacht.

Im letzten Quartal 2022 brach erneut eine breite Diskussion innerhalb des europäischen Finanzsektors aus, weil sich nunmehr sowohl die europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (”ESMA”) als auch die europäische Kommission seit Ende letzten Jahres ernsthaft mit einem möglichen Provisionsverbot befassen.

Ein allgemeines Provisionsverbot würde das derzeitige Vergütungssystem in der Anlageberatung von Grund auf ändern. Im Wesentlichen lassen sich aktuell zwei Vergütungsmodelle voneinander unterscheiden: zum einen das derzeit gängige Provisionsmodell und zum anderen die honorarbasierte Anlageberatung. Stand heute erhalten Anlageberater:innen in den meisten europäischen Ländern (so auch in Österreich und in Deutschland) bei Beratung über ein Finanzinstrument oder Versicherungsprodukts einen bestimmten Prozentsatz der Vertragssumme als Vergütung, so diese bestimmte Voraussetzungen erfüllt. In Ländern wie Großbritannien oder den Niederlanden wurden diese Provisionen hingegen bereits vor einigen Jahren abgeschafft. An deren Stelle trat eine stundensatzbasierte Vergütung.

Die Länder haben diese Änderung mit der Chance auf eine unabhängigere und verbraucherfreundlichere Beratungsmöglichkeit argumentiert. Provisionen würden Fehlanreize setzen, die den Berater:innen für den Vertrieb möglichst teurer Produkte belohnen, die aber nicht zwangsläufig den Interessen der Kund:innen entsprechen müssen. Gerade auf dieses Argument verweist auch die zuständige Finanzmarktkommissarin, die sich sehr positiv zur Einführung eines Provisionsverbots äußerte und dieses Vorhaben sogar auf die Agenda der ”Retail-Investment-Strategie” der Kapitalmarktunion setzen will. Mit konkreten Vorschlägen ist noch im ersten Quartal 2023 zu rechnen.

Das Team
Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine Mandant:innen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)

Raphael Toman
Partner / Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Compliance & Interne Untersuchungen, Kapitalmarktrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht & Regulatory, IP & Datenschutz, Legal Tech
Raphael betreut vorwiegend Finanzdienstleister in Verfahren vor Zivil- wie Verwaltungsgerichten sowie bei regulatorischen Fragestellungen, Geldwäscheprävention, Sanktionen sowie Kryptowerte. Daneben vertritt er Mandant:innen aus verschiedenen Branchen in (grenzüberschreitenden) streitigen Verfahren. Weiters unterstützt er Unternehmen in datenschutzrechtlichen Belangen, und ist selbst Datenschutzbeauftragter bei einem Biotechunternehmen sowie einem internationalen Sportverband.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2011; Dr. iur. 2019)
New York University, Leistungsstipendium der Universität Wien (LL.M. 2017)
Zulassung als Rechtsanwalt auch in New York (2017)
Stagiaire bei der International Chamber of Commerce (2018)


Latest insights zu
Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht
Rechtsmissbräuchlicher Rücktritt vom Maklervertrag?
Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Raphael Toman, Christian Lenz
Das im Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz ("FAGG") geregelte 14-tägige Rücktrittsrecht ist regelmäßig auch auf Maklerverträge anzuwenden. Der Oberste Gerichtshof ("OGH") musste dazu beurteilen, ob das Ausüben dieses Rücktrittsrecht vom Maklervertrag durch potenzielle Käufer einer Immobilie rechtsmissbräuchlich sein kann.
Vorläufige Einigung über EU-Geldwäsche-Package
Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Raphael Toman, Christian Lenz
Der Rat und das Parlament haben am 17.1.2024 eine vorläufige Einigung über die EU-Geldwäsche-Verordnung ("AMLR") und die sechste EU-Geldwäsche-Richtlinie ("AMLD6") erzielt. Zudem wurde am 12.2.2024 nach einem Kompromiss in den Trilogverhandlungen auch die endgültige Fassung der Verordnung zur Errichtung der europäischen Behörde ("AMLA") zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ("AMLA-VO") veröffentlicht.
Verjährungsfrist bei missbräuchlichen Klauseln: Erst ab Kenntnis
Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Raphael Toman, Christian Lenz
Im Verbraucherrecht spielt die Kontrolle von AGB-Klauseln eine wichtige Rolle. So können in AGB verwendete Klauseln, die Verbrauchern gegenüber missbräuchlich oder intransparent sind, für nichtig erklärt werden. Das ergibt sich aus der Klausel-Richtline der Europäischen Union.