Im letzten Quartal 2022 brach erneut eine breite Diskussion innerhalb des europäischen Finanzsektors aus, weil sich nunmehr sowohl die europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (”ESMA”) als auch die europäische Kommission seit Ende letzten Jahres ernsthaft mit einem möglichen Provisionsverbot befassen.
Ein allgemeines Provisionsverbot würde das derzeitige Vergütungssystem in der Anlageberatung von Grund auf ändern. Im Wesentlichen lassen sich aktuell zwei Vergütungsmodelle voneinander unterscheiden: zum einen das derzeit gängige Provisionsmodell und zum anderen die honorarbasierte Anlageberatung. Stand heute erhalten Anlageberater:innen in den meisten europäischen Ländern (so auch in Österreich und in Deutschland) bei Beratung über ein Finanzinstrument oder Versicherungsprodukts einen bestimmten Prozentsatz der Vertragssumme als Vergütung, so diese bestimmte Voraussetzungen erfüllt. In Ländern wie Großbritannien oder den Niederlanden wurden diese Provisionen hingegen bereits vor einigen Jahren abgeschafft. An deren Stelle trat eine stundensatzbasierte Vergütung.
Die Länder haben diese Änderung mit der Chance auf eine unabhängigere und verbraucherfreundlichere Beratungsmöglichkeit argumentiert. Provisionen würden Fehlanreize setzen, die den Berater:innen für den Vertrieb möglichst teurer Produkte belohnen, die aber nicht zwangsläufig den Interessen der Kund:innen entsprechen müssen. Gerade auf dieses Argument verweist auch die zuständige Finanzmarktkommissarin, die sich sehr positiv zur Einführung eines Provisionsverbots äußerte und dieses Vorhaben sogar auf die Agenda der ”Retail-Investment-Strategie” der Kapitalmarktunion setzen will. Mit konkreten Vorschlägen ist noch im ersten Quartal 2023 zu rechnen.