Rechtsmissbräuchlicher Rücktritt vom Maklervertrag?

Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Raphael Toman, Christian Lenz

Das im Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz ("FAGG") geregelte 14-tägige Rücktrittsrecht ist regelmäßig auch auf Maklerverträge anzuwenden. Der Oberste Gerichtshof ("OGH") musste dazu beurteilen, ob das Ausüben dieses Rücktrittsrecht vom Maklervertrag durch potenzielle Käufer einer Immobilie rechtsmissbräuchlich sein kann.

 

  1. Im Ausgangsfall interessierten sich die zwei beklagten Wohnungssuchenden für eine zum Verkauf stehende Eigentumswohnung. Sie bekundeten ihr Interesse per E-Mail und baten die zuständige Maklerin um die Übermittlung zusätzlicher Informationen und Unterlagen. Die Beklagten wurden dabei lediglich darüber aufgeklärt, dass ein Maklervertrag notwendig sei, 14 Tage Zeit für einen Rücktritt von diesem bestehe und dass im Erfolgsfall 3% Provision anfallen. Die Klägerin informierte die Beklagten jedoch weder auf Papier noch auf einem anderen dauerhaften Datenträger über ihr Rücktrittsrecht nach dem FAGG und händigte ihnen auch kein Muster‑Widerrufsformular aus. Die angeforderten Unterlagen wurden außerdem von der Maklerin nur zögerlich und unvollständig übermittelt, wodurch sich die Verhandlungen verzögerten. Aufgrund dieser Situation lehnten die Interessenten schließlich schriftlich “jede weitere Zusammenarbeit” mit der Maklerin ab. Nach der Ablehnung fand schließlich eine Wohnungsbesichtigung ohne die Maklerin statt, wobei sich die Interessenten mit der Verkäuferin über den Kaufpreis einigten und die Wohnung schließlich kauften.

 

  1. Die Maklerin begehrte daraufhin mittels Klage die Zahlung der Provision, da sie die Wohnung erfolgreich vermittelt habe und ihre Dienstleistungen auch von den Beklagten in Anspruch genommen worden seien. Die Beklagten hielten dem entgegen, dass sie berechtigt vom Vertrag zurückgetreten seien. Die Maklerin hingegen war der Auffassung, dass den Käufern das Recht zum Rücktritt nicht zustehe, da sie sich rechtsmissbräuchlich an ihren Vermittlungsdiensten bereichert hätten.

 

  1. Der OGH verneinte die Rechtsmissbräuchlichkeit des ausgeübten Kündigungsrechts. Da die Maklerin ihren Informationspflichten nicht bzw nur zögerlich nachkam und die Käufer beim Wohnungskauf unter erheblichem Zeitdruck standen, kann ihnen eine Rechtsmissbräuchlichkeit nicht vorgeworfen werden. Die Beendigung des Maklervertrages ist daher auf das nicht vertragskonforme Verhalten der Maklerin und nicht auf die von den Käufern von Anfang an verfolgte Absicht, die Wohnung ohne Maklerprovision zu erwerben, zurückzuführen.
Das Team
Raphael Toman
Partner / Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Compliance & Interne Untersuchungen, Kapitalmarktrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht & Regulatory, IP & Datenschutz, Legal Tech
Raphael betreut vorwiegend Finanzdienstleister in Verfahren vor Zivil- wie Verwaltungsgerichten sowie bei regulatorischen Fragestellungen, Geldwäscheprävention, Sanktionen sowie Kryptowerte. Daneben vertritt er Mandant:innen aus verschiedenen Branchen in (grenzüberschreitenden) streitigen Verfahren. Weiters unterstützt er Unternehmen in datenschutzrechtlichen Belangen, und ist selbst Datenschutzbeauftragter bei einem Biotechunternehmen sowie einem internationalen Sportverband.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2011; Dr. iur. 2019)
New York University, Leistungsstipendium der Universität Wien (LL.M. 2017)
Zulassung als Rechtsanwalt auch in New York (2017)
Stagiaire bei der International Chamber of Commerce (2018)


Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine Mandant:innen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)

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