Rückerstattung laufzeitunabhängiger Kosten bei Immobilienkrediten

Article • Kapitalmarktrecht von Christian Lenz, Raphael Toman

Der EuGH entschied kürzlich, dass bei vorzeitiger Rückzahlung eines Immobilienkredits laufzeitunabhängige Kosten vom Kreditgeber nicht zu ersetzen sind.

Die EuGH-Entscheidung C-555/21 sorgte im Bereich der Kreditvergabe für Aufsehen. Nach dem Lexitor-Urteil (C-383/18) war es allgemeines Verständnis, dass bei Verbraucherkreditverträgen im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung alle Kosten anteilsmäßig rückerstattet werden müssen. Bei Immobilienkreditverträgen ging der EuGH nun aber davon ab und erklärte, dass laufzeitunabhängige Kosten (etwa Bearbeitungsspesen) nicht rückerstattet werden müssen.

Ausgang fand dieser Rechtstreit in Österreich. Das Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz (HIKrG) sah ausdrücklich vor, dass laufzeitunabhängige Kosten bei verfrühter Rückzahlung nicht reduziert werden. Der VKI sah darin einen Verstoß gegen das Lexitor-Judikat und brachte Klage ein. Der EuGH teilte diese Ansicht nicht und differenzierte zwischen Verbraucherkreditverträgen und Immobilienkrediten. Letztere weisen demnach einige Besonderheiten auf, die eine unterschiedliche Beurteilung zulassen. Insbesondere ermöglicht die Pflicht, standardisierte Merkblätter bei Kreditvergaben zu verwenden – welche eine Kostenaufschlüsselung enthalten – eine objektive Beurteilung, ob gewisse Kosten mit der Vertragslaufzeit zusammenhängen.

Eigentlich sollte das Urteil die aktuelle Rechtslage klarer gestalten, der Ausgang der Entscheidung scheint aber genau gegenteiliges zu bewirken. Denn nachdem das Lexitor-Urteil erging, nahm der österreichische Gesetzgeber auch Änderungen im HIKrG vor und strich das Wort ”laufzeitabhängig”, sodass das Gesetz seither nur mehr von ”Kosten” spricht, welche sich bei vorzeitiger Rückzahlung verhältnismäßig verringern. Die Entscheidung des EuGH stellt daher lediglich klar, dass bei Verträgen, die bis zu dieser Novellierung geschlossen wurden, eine Rückerstattung von laufzeitunabhängigen Kosten nicht möglich ist. Das HIKrG nahm laufzeitunabhängige Kosten bis zur Novellierung von der Erstattung aus und der EuGH erklärte das ja für rechtskonform.

Offen bleibt aber, ob bei Verträgen, die nach der Novellierung geschlossen wurden, auch nur laufzeitabhängige Kosten erstattet werden. Schließlich wurde doch der Wortlaut ”laufzeitabhängig” mit der Novellierung entfernt, sodass das Gesetz selbst nicht näher Auskunft darüber gibt, welche Kosten nun ersetzt werden und welche nicht. Zur Lösung dieser Frage gibt es zwei Ansichten. Die eine beruft sich darauf, dass nun sämtliche Kosten zu reduzieren sind, die andere möchten den Kostenbegriff unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien anders auslegen. In den Materialien heißt es nämlich, dass die Entscheidung über die Auslegung allein beim EuGH liegt, sodass auch dessen jüngstes Judikat zur Auslegung des Kostenbergriffs herangezogen werden sollte. Diese Frage wird daher wohl nur ein höchstgerichtliches Urteil endgültig klären können.

Das Team
Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine Mandant:innen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)

Raphael Toman
Partner / Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Compliance & Interne Untersuchungen, Kapitalmarktrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht & Regulatory, IP & Datenschutz, Legal Tech
Raphael betreut vorwiegend Finanzdienstleister in Verfahren vor Zivil- wie Verwaltungsgerichten sowie bei regulatorischen Fragestellungen, Geldwäscheprävention, Sanktionen sowie Kryptowerte. Daneben vertritt er Mandant:innen aus verschiedenen Branchen in (grenzüberschreitenden) streitigen Verfahren. Weiters unterstützt er Unternehmen in datenschutzrechtlichen Belangen, und ist selbst Datenschutzbeauftragter bei einem Biotechunternehmen sowie einem internationalen Sportverband.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2011; Dr. iur. 2019)
New York University, Leistungsstipendium der Universität Wien (LL.M. 2017)
Zulassung als Rechtsanwalt auch in New York (2017)
Stagiaire bei der International Chamber of Commerce (2018)