Verjährungsfrist bei missbräuchlichen Klauseln: Erst ab Kenntnis

Article • Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht von Raphael Toman, Christian Lenz

Im Verbraucherrecht spielt die Kontrolle von AGB-Klauseln eine wichtige Rolle. So können in AGB verwendete Klauseln, die Verbrauchern gegenüber missbräuchlich oder intransparent sind, für nichtig erklärt werden. Das ergibt sich aus der Klausel-Richtline der Europäischen Union.

 

  1. Eine solche Ungültigkeit einer Klausel geht oft mit Rückforderungsansprüchen des Verbrauchers einher, wobei diese Ansprüche verjähren können.

 

  1. Genau diese Verjährung war Gegenstand einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (“EuGH”; C-810/21 bis C-813/21). Ausgangspunkt der Entscheidung waren Hypothekendarlehensverträge, welche Verbraucher mit spanischen Banken abgeschlossen haben. Mehr als zehn Jahre nachdem die letzten Zahlungen aus den Darlehen geleistet worden waren, machten einige Verbraucher die Nichtigkeit einzelner Klauseln des Darlehensvertrags geltend. Dadurch wollten sie Rückforderungsansprüche gegen die Banken durchsetzen.

 

  1. Die Banken wandten dagegen ein, dass eine Nichtigerklärung der Klauseln zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich sei, da ein solcher Anspruch nach spanischem Recht bereits verjährt sei. Demnach beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre, nachdem ein Anspruch fällig, und dem Anspruchsinhaber die Umstände, auf denen er beruht, bekannt wurden. Fraglich blieb dabei jedoch, ab wann der Anspruchsinhaber Kenntnis über die relevanten Umstände erlangen konnte, um den Lauf der Verjährung in Gang zu setzen.

 

  1. Der EuGH stellte in diesem Zusammenhang nun klar: Ohne konkrete Kenntnis des Verbrauchers über seine entsprechenden Rechte aus der Klausel-RL kann die Verjährungsfrist nicht zu laufen beginnen. Die Verjährungsfrist beginnt daher erst dann zu laufen, wenn der Verbraucher seinen Anspruch kennt. Im Zusammenhang mit der Verjährung aus missbräuchlichen Klauseln ist daher das subjektive Wissen des Verbrauchers entscheidend. Fraglich ist dabei jedoch, wie diese Kenntnis von den Unternehmern bewiesen werden soll. Es bleibt daher abzuwarten, ob die Rechtsprechung objektivierbare Anhaltspunkte für diese Frage entwickeln wird, um dadurch Beweisschwierigkeiten zukünftig zu vermeiden.
Das Team
Raphael Toman
Partner / Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Compliance & Interne Untersuchungen, Kapitalmarktrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht & Regulatory, IP & Datenschutz, Legal Tech
Raphael betreut vorwiegend Finanzdienstleister in Verfahren vor Zivil- wie Verwaltungsgerichten sowie bei regulatorischen Fragestellungen, Geldwäscheprävention, Sanktionen sowie Kryptowerte. Daneben vertritt er Mandant:innen aus verschiedenen Branchen in (grenzüberschreitenden) streitigen Verfahren. Weiters unterstützt er Unternehmen in datenschutzrechtlichen Belangen, und ist selbst Datenschutzbeauftragter bei einem Biotechunternehmen sowie einem internationalen Sportverband.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2011; Dr. iur. 2019)
New York University, Leistungsstipendium der Universität Wien (LL.M. 2017)
Zulassung als Rechtsanwalt auch in New York (2017)
Stagiaire bei der International Chamber of Commerce (2018)


Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine Mandant:innen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)

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