OGH 16.2.2023, 9 Ob 102/22y: Rücktrittsrecht beim Maklervertrag

Article • Prozessführung von Christian Lenz

Das 14-tägige Rücktrittsrecht beim Abschluss von Online-Geschäften ist allgemein bekannt. Das Rücktrittsrecht besteht jedoch nicht nur bei Geschäften, die mittels Fernabsatz (zB Internet) zustande gekommen sind, sondern erstreckt sich auch auf solche, die außerhalb von Geschäftsräumlichkeiten abgeschlossen wurden. Regelmäßig sind daher auch Maklerverträge erfasst. Unlängst hatte der Oberste Gerichtshof ("OGH") zu beurteilen, ob ein von Kaufinteressenten erklärter Rücktritt vom Maklervertrag zulässig ist.

Über Vermittlung einer gewerblichen Immobilienmaklerin besichtigten zwei Wohnungssuchende eine zum Verkauf stehende Wohnung. Die Kaufinteressent:innen äußerten per E-Mail ihr Interesse und baten die Maklerin um weitere Unterlagen, die diese jedoch unvollständig und nur zögerlich übermittelte. Die Verkaufsgespräche zogen sich auch deshalb hin, bis die Interessent:innen schriftlich ”jede weitere Zusammenarbeit” mit der Maklerin ablehnten. Danach fand eine Wohnungsbesichtigung ohne die Maklerin statt, und es wurde ein Kaufvertrag zu einem Kaufpreis von 925.000 Euro unterzeichnet.

Die Maklerin klagte einige Monate später auf Zahlung ihrer Provision, weil sie die Wohnung erfolgreich vermittelt habe und ihre Leistungen in Anspruch genommen worden seien. Die Käufer:innen wandten ein, dass sie berechtigt vom Vertrag zurückgetreten seien. Die Maklerin war jedoch der Ansicht, dass den Käufer:innen der Rücktritt nicht zustehe, weil diese sich rechtsmissbräuchlich an ihren Vermittlungsdiensten bereichert hätten.

Der OGH wies das Klagebegehren der Maklerin ab, mit der Begründung, dass die Käufer:innen ihre Rücktrittserklärung weder aus Schädigungsabsicht abgegeben haben noch, dass sie sich damit widerrechtlich einen Vorteil zu Lasten der Maklerin verschaffen wollten. Obwohl die Beklagten letztendlich die Wohnung ohne die Beteiligung der Maklerin gekauft haben, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass ihr Ziel von Anfang an darin bestand, die Maklerprovision zu umgehen. Die Käufer:innen wünschten vielmehr eine rasche Abwicklung des Wohnungskaufs – nachdem die Kommunikation mit der Maklerin nur schleppend verlaufen war, erklärten sie berechtigter Weise den Vertragsrücktritt.

 

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Christian Lenz

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Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine MandantInnen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)

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