OGH 17.2.2023, 6 Ob 211/22f: Objektive Auslegung bei Eintritt in eine Personengesellschaft

Article • Prozessführung von Christian Lenz

Wer darf den gemeinsam aufgebauten Familienbetrieb – eine Kommanditgesellschaft ("KG") – weiterführen? Besonders nach einer gescheiterten Ehe landen Fragen wie diese vor Gericht. Unlängst sogar vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).

Kern des Rechtsstreits war die Frage, wer im Todesfall des Klägers als Nachfolger in die Gesellschaft eintreten und das Unternehmen fortführen darf. Neben den Kindern aus erster Ehe kam auch die neue Ehefrau in Betracht. Der Kläger wollte sich diesbezüglich Entscheidungsfreiheit sichern. Gestützt auf den behaupteten Willen der Gründungsgesellschafter (der Kläger und dessen Vater) brachte der Kläger vor, dass die Gesellschaft ausschließlich mit seinen Erben und Vermächtnisnehmern fortzusetzen wäre. Diesen Willen hat man allerdings nie im Gesellschaftsvertrag festgehalten. Der OGH musste nun entscheiden, wie das Fehlen einer expliziten Nachfolgerregelung im Gesellschaftsvertrag auszulegen ist.

Üblicherweise werden Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften (wozu die KG zählt) subjektiv ausgelegt. Das bedeutet, dass sich die Rechte und Pflichten der Gesellschafter:innen nach deren Parteiwillen richten. Dieser Wille muss nicht ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag festgehalten werden; es reicht eine bloß stillschweigende Erklärung des/der Gesellschafters:in. Gesellschaftsverträge von Kapitalgesellschaften werden hingegen objektiv ausgelegt. Maßgeblich ist hier also das, was in der Satzung geschrieben steht. Von diesen Grundsätzen weicht die Rechtsprechung nur in gewissen Fällen ab.

So auch in der Entscheidung 6 Ob 211/22f. Demnach wird bei einem Gesellschafter:innenwechsel die Satzung einer Personengesellschaft ausnahmsweise objektiv ausgelegt. Einem/Einer neuen Gesellschafter:in kann der ”wahre” Wille der Altgesellschafter:innen (hier: der Kläger und dessen Vater) nur entgegengehalten werden, wenn diese:r davon wusste und diesem (zumindest stillschweigend) zustimmt. Das soll die Rechtssicherheit fördern, da dem/der eintretenden Gesellschafter:in eine Abweichung von der Satzung in der Regel unbekannt ist.

Im vorliegenden Fall bedeutete das: Eine bloß mündliche Absprache der Altgesellschafter:innen kann der neu eintretenden Gesellschafterin nicht entgegengehalten werden.

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Christian Lenz

Das Team
Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine Mandant:innen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)