OGH 23.1.2023, 5 Ob 104/22p: Ein wucherischer Vergleich

Article • Prozessführung von Christian Lenz

Drohen Streitigkeiten, ist es oftmals sinnvoll einvernehmlich einen Vergleich anzustreben, womit teilweise hohe Prozesskosten vermieden werden können. Dabei kann es durchaus passieren, dass eine Partei viel mehr nachgibt oder verspricht als die andere. Aus diesem Grund können Vergleiche unter Berufung auf Wucher angefochten werden. Wucher liegt dann vor, wenn die Leistungen der Parteien in einem auffallenden Missverhältnis stehen. Zusätzlich muss bei Vertragsschluss ua eine Zwangslage vorliegen, welche die freie Willensentscheidung des/der Verkürzten beeinträchtigt hat.

Kürzlich hatte sich der Obersten Gerichtshof (OGH) mit folgendem Sachverhalt zu befassen: Durch eine gesonderte Erklärung verpflichteten sich die Eigentümer:innen eines Wohnhauses einer geplanten Baumaßnahme zuzustimmen. Als es so weit war, verweigerte ein Eigentümer seine Zustimmung. Gegen eine Zahlung des Bauunternehmers konnte schließlich ein Vergleich erzielt werden. Der Bauunternehmer willigte allerdings nur deshalb ein, weil ohne Vergleich ein langwieriges Gerichtsverfahren vor Baubeginn gedroht hätte. Nach Ansicht des Bauunternehmers hat der Eigentümer diese Zwangslage ausgenutzt und wäre ohnehin zur Zustimmung verpflichtet gewesen. Folglich verweigerte der Bauunternehmer die Zahlung; der Eigentümer klagte daraufhin.

Der OGH befand jedoch, dass beim abgeschlossenen Vergleich kein Missverhältnis ersichtlich ist. Schließlich hätte ein Rechtsstreit das Bauvorhaben aller Voraussicht nach stark verzögert. Die Verweigerung der Zustimmung erfolgte außerdem nicht rechtsmissbräuchlich, durch die spätere Zustimmung hätte der Eigentümer vielmehr auf eine gerichtliche Feststellung seiner Verpflichtungen verzichtet. Somit liegt weder ein aufzugreifendes Missverhältnis der Leistungen noch eine Ausnützung einer Zwangslage vor.

Das Team
Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine Mandant:innen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)