OGH 25.1.2023, 7 Ob 166/22w: Freizeichnungsklauseln

Article • Prozessführung von Christian Lenz

Die Privatautonomie gestattet den Vertragsparteien, die im Gesetz geregelten Haftungsbestimmungen vertraglich einzuschränken (sogenannte Freizeichnungsklauseln). Das ist allerdings nur innerhalb gewisser Grenzen zulässig, wie der Oberste Gerichtshof (OGH) erst kürzlich entschieden hat.

Zunächst stellt sich der OGH die Frage, welche Schäden von einer Freizeichnungsklausel erfasst sind. Dazu ist die Vereinbarung nach dem Wortsinn und dem Willen der Parteien auszulegen. Gegenstand eines Haftungsausschlusses können immer nur jene Gefahren sein, welche für das Rechtsverhältnis typisch oder voraussehbar sind, anderenfalls darauf nicht verzichtet werden kann. Die Freizeichnungsklausel darf außerdem nicht gegen die guten Sitten verstoßen. Das wäre bei einer Klausel der Fall, welche die Haftung selbst bei absichtlicher Schädigung ausschließt. Unterhalb der Schwelle der absichtlichen Schädigung kommt es darauf an, für welche Art von Schaden die Haftung (Sach- oder Personenschäden) sowie gegenüber wem die Haftung ausgeschlossen werden soll (Verbraucher oder Unternehmer).

Bei Geschäften zwischen Unternehmen können Haftungsfreizeichnungsklauseln im Vergleich zu Verbrauchergeschäften weitreichender vereinbart werden. So kann zB auch die Haftung für grob fahrlässig verursache Sachschäden ausgeschlossen werden. Der OGH differenziert hier allerdings genauer: Es gibt Fälle, in denen die unterlaufene Fahrlässigkeit so krass ist, dass mit einem derartigen Verhalten nach redlicher Verkehrsübung nicht gerechnet werden kann. Die grobe Fahrlässigkeit ist dann dem Vorsatz gleichzustellen. Die Unterscheidung zwischen krass grober Fahrlässigkeit und schlichter Fahrlässigkeit kann – wie der OGH klarstellt – allerdings nur im Einzelfall vorgenommen werden.

 

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Christan Lenz

Das Team
Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine MandantInnen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)

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