OGH 27.4.2023, 17 Ob 8/23k: Gehilfenhaftung für Fehlberatung eines Tippgebers

Article • Prozessführung von Christian Lenz

Das eigene Fondsprodukt an geeignete Kunden zu vermitteln, ist nicht immer einfach. Regelmäßig ist die Emittentin dabei auf die Hilfe so genannter Tippgeber angewiesen. Deren Aufgabe ist es, interessierte Kunden auf die Geschäftsmöglichkeit aufmerksam zu machen und den Kontakt zwischen Emittentin und Kunde herzustellen. Dafür erhält der Tippgeber vom Emittenten eine Provision.

Um die eigenen Geschäftschancen zu verbessern, bauen sich Tippgeber regelmäßig ein eigenes Tippgeber-Netzwerk auf. Im vorliegenden Fall stand Tippgeberin A in einer laufenden Geschäftsbeziehung mit dem selbständigen Subunternehmer B, der wiederum als Tippgeber fungierte. Beide waren als gewerbliche Vermögensberater zugelassen.

Die klagende Anlegerin wandte sich an den Tippgeber B. Sie wollte ihr erspartes Geld langfristig anlegen. Der selbständige Subunternehmer B beriet die Klägerin und empfahl ihr das Fondsprodukt der genannten Emittentin. Der Kurs der Anlage fiel. Die Anlegerin verlangte daraufhin von der Tippgeberin A den Ersatz des entstandenen Schadens. Der Tippgeber B habe im Interesse und auf Rechnung der Tippgeberin A gehandelt und sie falsch beraten. Die Beklagte wandte dagegen ein, dass sie dem Tippgeber B ausdrücklich untersagt habe, über das Fondsprodukt der Emittentin zu beraten. Der selbständige Untervermittler B sei ihr daher nicht zuzurechnen.

Der OGH befasst sich mit der Frage, ob die Tippgeberin A für eine allfällige Fehlberatung ihres Geschäftspartners B einzustehen hat. Nach ständiger Rechtsprechung haftet der Geschäftsherr für seinen Erfüllungsgehilfen nach § 1313a ABGB nur dann, wenn er sich zur Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit eines Dritten bedient. Die Vorinstanzen hatten eine Haftung verneint, weil eine umfassende Beratung nicht zu den geschuldeten Leistungen der Tippgeberin A gehört hat. Der OGH geht hingegen näher auf die allgemeinen Pflichten der Tippgeberin A ein und betont, dass sie neben ihrer Eigenschaft als Tippgeberin auch gewerbliche Vermögensberaterin war. Als solche gehört es zu ihren Aufgaben, interessierte Anleger über mögliche Veranlagungen zu beraten. Der OGH hält fest, dass die Beklagte nicht nur ihre Funktion als Tippgeberin, sondern auch ihre allgemeinen Aufgaben als gewerbliche Vermögensberaterin an den Subunternehmer B ausgelagert hat. Aufgrund dessen hat die Tippgeberin A für das Verhalten des Subunternehmers B einzustehen.

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Christian Lenz

Das Team
Christian Lenz
Associated Partner / Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsrecht, Immobilienrecht
Christian vertritt zahlreiche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Glücksspielanbieter in Zivilverfahren zu zivilrechtlichen Haftungsfragen. Er berät seine Mandant:innen beim Erstellen von Vertrags- und Werbeunterlagen sowie zu wirksamen Präventionsmaßnahmen.

Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät (Mag. iur. 2002)